Der Mann, der sie zum Tanzen brachte

MUSIK Hugh Masekelas Musik wurde zum Symbol für den Widerstand der Menschen gegen die Apartheid in Südafrika. Sein Konzert bildet den Auftakt zu einem Festival im Haus der Kulturen der Welt. Ein Porträt

Südafrika feiert den 20. Jahrestag der ersten demokratischen Wahlen. Das Haus der Kulturen der Welt lädt deshalb zu einem Festival mit Konzerten, Filmen (Seite 5) und Gesprächen. Es geht um Erfolge im Übergang zur Demokratie. Aber auch um Herausforderungen, denen sich das Land heute stellen muss. Zum Auftakt spielt Hugh Masekela am 28. August um 20 Uhr.

■ 20 Jahre Demokratie in Südafrika: HKW, John-Foster-Dulles-Allee 10, 28. – 31. 8., Preise gestaffelt, Programm: www.hkw.de

VON TABEA KÖBLER

„Wir sagen, steht auf … tanzt, es hilft euch, Dinge loszulassen“, sagte Hugh Masekela einst in einem Interview mit dem Magazin City Press. Fünfundsiebzig Jahre ist er alt und Südafrikas lebende Trompetenlegende. Der warme Klang und die mitreißende Energie seines Spiels, das mühelos unzählige Genres zwischen Jazz, Pop und Weltmusik umfasst, stehen symbolisch für die Kraft des Widerstands.

Vor zwanzig Jahren besiegelten die ersten demokratischen Wahlen in der Republik Südafrika das Ende der Apartheid. Für große Teile der Bevölkerung bedeutete das Jahr 1994 einen Neuanfang und das Ende der Unterdrückung. Das Haus der Kulturen der Welt feiert dieses Jubiläum im Rahmen eines viertägigen Festivals voller Musik, Film und Diskussion. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Hugh Masekela zum Eröffnungskonzert die Bühne betritt. Sein weltberühmtes Trompeten- und Flügelhornspiel dürfte kaum der einzige Grund sein, ebenso wenig seine Bekanntheit als Sänger, Komponist und Pionier der afrikanischen Popmusik. Vielmehr steht Masekelas fünfundsiebzigjährige Lebensgeschichte genau wie sein mehr als vierzig Alben umfassendes Werk exemplarisch für Millionen südafrikanischer Geschichten.

1939 kam Hugh Masekela im südafrikanischen Witbank zur Welt. Er wuchs zwischen Minen, Staub und Kumpeln auf und verbrachte die Nachmittage im Shebeen seiner Großmutter, einer der illegalen Kneipen, in denen die Arbeiter das Dunkel des Berginneren zu ertränken versuchten. Streiks, Proteste und Boykotts gegen Gewalt und Unterdrückung prägten seine Kindheit. Mit demselben Gewicht beschreibt Masekela in seiner Biografie jedoch die Musik als einen Gegenpol. Etwas, das ihn stets umgab. In der afrikanischen Musik herrscht seit jeher eine außergewöhnliche Vielfalt. Neben lutheranischen Gesängen kannte Masekela die traditionellen Tänze und Lieder der Zulu, Swazi, Ndebele, Sotho und all der anderen Volksgruppen. In den Townships hörte er den typischen Mbaqanga, eine südafrikanische Form des Jive, auf Platte Blues und Jazz. All das floss in immer neuen Formen in sein Spiel.

Trevor Huddleston, Schulkaplan und Apartheidgegner, stattete den Vierzehnjährigen mit der ersten ersehnten Trompete aus. Masekela begann in unterschiedlichsten Gruppen und Musicals zu spielen und gründete 1959 die Jazz Epistles, denen es als erste afrikanische Jazzgruppe gelang, eine LP aufzunehmen. Sie spielten vor großem Publikum in Kapstadt und Johannesburg. Kaum ein Jahr später wurden beim Massaker von Sharpeville 69 schwarze Demonstranten von der Polizei erschossen. Die Regierung verbot daraufhin Versammlungen von mehr als zehn Personen und nahm Musikern so auch ihr Publikum. Der nur einundzwanzigjährige Musiker ging ins Exil. Wiederum mit der Hilfe Huddlestons gelang es ihm, an der Londoner Guildhall School ein Trompetenstudium zu beginnen, das er in New York fortsetzte. 1968 kletterte seine mitreißende Trompeteninterpretation des jazzigen „Grazing in the Grass“ in den USA auf Platz eins der Billboard Charts. Es folgten rastlose Jahre, in denen die Welt sein Zuhause wurde, es folgten Drogenexperimente und Alkoholexzesse.

Er spielte mit unzähligen Größen der internationalen Jazz-, Pop- und Weltmusikszene, wie etwa Louis Armstrong oder dem nigerianischen Saxofonisten Fela Kuti. Mit Miriam Makeba, einer der bekanntesten südafrikanischen Sängerinnen, verband ihn neben der Musik eine kurze Ehe. Nach Nelson Mandelas Entlassung aus dem Gefängnis 1990 kehrte Masekela nach Südafrika zurück.

Hugh Masekela selbst sah sich nie als einen politischen Aktivisten

Hugh Masekela selbst sah sich nie als politischen Aktivisten. Er mache einfach die Musik, die er liebt. Das Politische entstünde ganz natürlich durch das, was ihn in seinem Leben umgeben und inspiriert hat, erklärte er 2012 in einem Interview mit The Guardian. „Ich bin mit der Apartheid aufgewachsen und südafrikanische Musik war meine Ressource. Es wäre sehr merkwürdig gewesen, die Umstände nicht zu nennen, denn ich gehöre zu den Leuten, die sie betreffen, und ich schöpfe daraus“, so Masekela. Es seien die Medien, die aus ihm einen politischen Sprecher machten: „Es endet damit, dass eine Trompete Reden auf dem Trafalgar Square hält.“

Dennoch finden sich in Masekelas Texten immer wieder politische Anspielungen, mal dezent, teils ganz laut. Seine jazzige Popballade „Up, Up And Away“ von 1967 versteckt den Ruf nach einer besseren Welt in eskapistischen Bildern. Zehn Jahre später wurde das funkig-jazzige „Bring Him Back Home“ zu der Hymne, die dem Wunsch der Befreiung Nelson Mandelas Ausdruck gab.

Musik muss nicht dezidiert politisch sein, um eine politische Kraft zu entfalten. Sie kann Menschen zusammenbringen, vereinen und gemeinsam in Bewegung setzen. Vielleicht ist es deshalb noch heute auf jedem Konzert Masekelas Ziel, die Menschen zum Tanzen zu bringen.