Quer über den Catwalk

Kirschkerne, Zigarrettenkippen und la dolce vita. Die Liebe durchläuft eine Moebius-Schleife in der Bahnhofskneipe. Der „Romexpress“ von Felix Römer kommt im Theater Dortmund nie an

VON PETER ORTMANN

Der Wiener Humor ist immer ein wenig lasziv, mit einem latenten Hang zum Suizid. Kein Wunder also, dass der in der österreichischen Hauptstadt geborene Jungautor und Schauspieler Felix Römer die kleinen Dramen des Lebens in seinem neuesten Stück „Romexpress“ zum Thema macht: Liebende Paare treffen sich darin in einem Bahnhofsrestaurant, einige der Protagonisten warten auf einen Schnellzug zur Liebe nach Bella Italia, andere trennen sich vorher lieber. Nur der endgültig Verlassene bleibt auch bis zum Schluss ein Verlierer und sucht die Schienenstränge für Endgültiges auf. Ansonsten liebt und streitet man sich kreuz und quer über einen Tisch und durch die langsam verrinnende Zeit einer Art Moebius-Endlosschleife.

Die einzigen Konstanten zwischen wechselnden Partnern ohne richtige Namen und scheinbar verwobenen Lebens- und Liebesgeschichten sind der surrende Ventilator zum Abkühlen großer Gefühle und der Statisten-Kellner, der mit seinem onkelhaften „Was wird angenehm sein?“ nicht nur die Wartenden nervt. „Bitte sehr. Bitte gleich.“ Auch das Stereotyp ist nur für den Autor Römer ein Brüller, der nebst Gefolge in der ersten Reihe sitzt und sich am häufigsten köstlich über die eigenen Texte amüsiert, die wirklich gute SchauspielerInnen live ans Publikum verkaufen müssen.

Regisseurin Carolin Mader verzichtet dabei auf ein opulentes Bühnenbild. Der Kampf der Geschlechter findet in einer Zuschauerarena mit Lichttisch statt, den die Auftretenden erst als Catwalk, dann als Möbel und öfters auch als Sportgerät nutzen. Über den Tisch und seine Funktion auf der Bühne ist schon viel philosophiert worden und er wird in letzter Zeit wieder bei vielen Inszenierung als Hauptbühnenbild benutzt. In der römischen Bahnhofskneipe wirkt er eher als aludesignter Fremdkörper, als falsche Deutsche Bahn-Staffage für den überschäumenden Romfan (Michael Kamp), die hartnäckig Liebende (Anne Gehrig) oder die herzkranke Cherrylady (Birgit Unterweger), die im zweiten Teil allerdings als geheilt zurückkehrt unter den Ventilator. Der einfache Trick der einfachen Komödie über Allerwelts-Liebesgeschichten ist die Verschachtelung von Dialogen und ein klein bisschen Absurdität zwischen den Paaren.

Denn die Liebes-Beziehungen wechseln nach der Halbzeit. Die gerade unter Gezeter verlassene Hartnäckige findet nun vielleicht im Überschäumenden einen sicheren Hafen. Der schüchterne Mann auf der Durchreise (Patrick Jurowski) vielleicht sogar die schicke Vernünftige (Monika Bujinski), die den Überschäumenden gerade in die Wüste geschickt hat. Und dann gibt es im Bahnhofsrestaurant auch außerhalb der Saison frische Kirschen für die gern auch mal Kerne spuckende Lady. Ja natürlich, unsere Rollen im Leben könnten austauschbar sein wie Partner, Wünsche und Sehnsüchte. Das ist eine recht universelle Erkenntnis, auf die Felix Römer, der selbst einmal am Dortmunder Theater als Schauspieler tätig war und nun an der Berliner Schaubühne engagiert ist, sein neuestes Stück aufbaut. Sie reicht nicht, um ein Theaterherz höher schlagen zu lassen, ist gerade nur ausreichend um einen netten Abend im Dortmunder Theaterstudio zu verbringen. Aber das liegt nur an den überzeugenden AkteurInnen dort.

20:00 Uhr, Theaterstudio Dortmund Infos: 0231-5027222