Benedikt XVI. vollendet das Werk Ratzingers

Vatikan maßregelt Befreiungstheologen: Jon Sobrino aus El Salvador darf nicht mehr lehren und veröffentlichen

BERLIN taz ■ Joseph Ratzinger hatte diese Verurteilung einer unliebsamen Stimme innerhalb der katholischen Kirche schon betrieben, als er sich noch nicht Benedikt XVI. nennen durfte: Als Präfekt der Glaubenskongregation hatte Ratzinger vor sechs Jahren damit begonnen, gegen den Jesuitenpriester Jon Sobrino aus El Salvador vorzugehen, einen der profiliertesten Befreiungstheologen Lateinamerikas. Am kommenden Donnerstag nun will der Vatikan sein Urteil vorstellen – doch bekannt ist es schon jetzt. Der 68-jährige Sobrino, einer der engsten Berater des 1980 ermordeten salvadorianischen Erzbischofs Oscar Romero, darf künftig nicht mehr im kirchlichen Rahmen unterrichten und veröffentlichen.

Die Amtskirche wirft dem streitbaren Jesuiten von der Zentralamerikanischen Universität San Salvadors vor, die Göttlichkeit Jesu in seinen Schriften nicht genug herauszustellen. Im Klartext: Sobrino beschreibe Jesus, insbesondere in seinem Buch „Jesus, der Befreier“, zu sehr als Menschen, zu wenig als Gesandten Gottes.

Damit ist es nach langer Zeit wieder so weit, dass eine der Stimmen der in den 80er-Jahren so wichtigen theologischen Strömung aus Rom gedeckelt wird. Der Brasilianer Leonardo Boff und der Nicaraguaner Ernesto Cardenal haben schon vor Jahren Bekanntschaft damit gemacht, was der Vatikan davon hält, Christentum und Revolution als denkbare Einheit zu sehen.

Sobrino hatte das Verdikt bereits vorzeitig erfahren – mit der Aufforderung, seine Thesen zu widerrufen. Doch Sobrino, so berichtet die spanische Tageszeitung El Mundo, „übergab die Sache seinem Superior, Pater Kolvenbach, dem Generaloberen des Jesuitenordens, der Sobrino antwortete: ‚Denk darüber nach; jegliche Entscheidung, die du triffst, wird der Orden unterstützen.‘ Nachdem Sobrino nachgedacht hatte, entschied er sich, keine Korrektur vorzunehmen.“

Dass Sobrino überhaupt noch am Leben und nicht längst Opfer eines Mordanschlages geworden ist, verdankt er nur einem Zufall. Die sechs anderen Jesuiten der salvadorianischen Zentralamerikanischen Universität, die mit ihm gemeinsam die Lehre der Befreiungstheologie weiterentwickelt und auch in Zeiten der brutalen Repression im El Salvador der 80er-Jahre kein Blatt vor den Mund genommen hatten, waren am 16. November 1989 zusammen mit einer Köchin und deren Kind von einem Mordkommando der Armee regelrecht hingerichtet worden. Sobrino hielt sich zu dem Zeitpunkt zu einem Seminar in Thailand auf – deshalb überlebte er.

Sobrino wurde 1938 im spanischen Baskenland geboren, trat als 18-Jähriger dem Jesuitenorden bei und ging 1957 nach El Salvador. Auch nach späteren Studien in den USA und Frankfurt/Main kehrte er stets nach El Salvador zurück. 1998 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Sein Hauptthema ist die Überwindung der Armut der Massen. In einem Artikel 2005 spricht er von einer „Spiritualität des Antiimperialismus“ als Widerstand gegen Globalisierung und US-Hegemonie. Sobrino ist der erste Lehrende, der unter Papst Benedikt XVI. wegen seiner Thesen geschasst wird. BERND PICKERT