Letztes Aufbäumen

MEDIEN Beim Magazin „Der Spiegel“ wollen viele Mitarbeiter zwar eine engere Verzahnung mit der Onlineredaktion, aber nicht mit Chefredakteur Wolfgang Büchner. Werden dessen Pläne zur Umstrukturierung abgelehnt, wird er wohl gehen müssen

BERLIN taz | Beim Spiegel in Hamburg muss derzeit eine Stimmung wie vor dem Finale herrschen. Verlöre die Redaktion den aktuellen Kampf, dann wäre alles vorbei, orakeln die pessimistischsten Mitarbeiter im Verlagshaus. Verlieren würde für sie bedeuten: Chefredakteur Wolfgang Büchner darf bleiben.

Gewinnen hieße: Tschüs, Wolfgang!

Büchner selbst hatte in dieser Woche gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Spiegel Verlags, Ove Saffe, den Endkampf eingeläutet. Am Dienstag kündigten die beiden gegenüber den Vertretern der Mitarbeiter KG an, dass alle Ressortleiterposten neu ausgeschrieben werden sollten. Die neuen Ressortleiter sollten dann – anders als bisher – für das gedruckte Magazin ebenso zuständig sein wie für den Auftritt bei Spiegel Online.

Die KG, in der sich die Redaktions-, Dokumentations- und Verwaltungsmitarbeiter des Print-Spiegels versammeln, hält mit 50,5 Prozent die Mehrheit am Spiegel. In der Gesellschafterversammlung, die am Freitagnachmittag zusammenkam und in der auch der Verlag Gruner + Jahr sowie die Augstein-Erben sitzen, braucht Büchner also die Unterstützung der Mitarbeiter KG, um sein „Spiegel 3.0“-Konzept umsetzen zu können. Bis Redaktionsschluss gab es keine Entscheidung, doch vor der Sitzung war durchgesickert, dass Büchner in der KG keine Mehrheit habe: Mindestens 3 der 5 Vertreter sollen gegen seine Pläne sein.

In der Redaktion des Magazins war zuvor massiv für die Ablehnung der Umstrukturierung – und damit gegen Büchner – geworben worden. Bis Freitagmittag sollen 86 Prozent der knapp 270 Redaktionsmitglieder eine Petition unterschrieben haben, in der es zwar heißt, dass man für eine „enge Kooperation von Spiegel und Spiegel Online“ sei, aber „eine solch tiefgreifende Strukturveränderung, wie sie die Chefredaktion und die Geschäftsführung planen, nur Erfolg haben kann, wenn sie zuvor in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Haus vorbereitet“ worden sei. „Dies ist nicht geschehen.“ Deshalb sollten die Gesellschafter die Pläne ablehnen.

Eine solche Ablehnung wäre wohl das Aus für Büchner – und das nach nur einem knappen Jahr als Chefredakteur.

Dass dann wohl auch Geschäftsführer Saffe gehen müsste, würde in der Redaktion zwar bedauert – auch weil die Trennung von Saffe und Büchner sehr teuer würde –, aber was soll’s. Frei nach dem Motto: Dann gibt es in diesem Jahr halt keine Gewinnbeteiligung, dafür aber demnächst wieder einen ordentlichen Chefredakteur.

Anders dürfte das die Onlineredaktion sehen. Büchners Pläne würde die Stellung der finanziell und machtpolitisch unterlegenen Onliner im Haus aufwerten. Von ihnen dürfte also kaum jemand die Petition unterschrieben haben. Im Gegenteil: In einem Brief soll sich die Chefredaktion von Spiegel Online für Büchners Pläne ausgesprochen haben. Als eindeutiges Bekenntnis zur Personalie Büchner sei dies allerdings nicht unbedingt zu verstehen, sagte ein Redaktionsmitglied, sondern nur zum Konzept „Spiegel 3.0“.

Heißt wohl: Umsetzen kann das gerne auch jemand anders. ANNE FROMM, JÜRN KRUSE