Gepflegte Ost-Identität

JUBILÄUM Die Wabe, ein Kulturzentrum in Prenzlauer Berg, stemmt sich gegen die Gentrifizierung. Am Freitag feierte sie ihr 25-jähriges Bestehen

Die Zeitmaschine hat acht Ecken. Schön futuristisch sieht das aus. Die Passagiere füllen den Transporterraum bis zu den Grenzen seiner Belastbarkeit. Der Start verläuft trotzdem ohne Probleme, die Motoren schnurren selig: Zurück in die achtziger Jahre, in die dunkle Zeit. Hin zu den wenigen Lichtblicken, die sich Jugendlichen in Ostberlin damals boten, mitten hinein ins Festival des politischen Liedes oder zum Liedersommer. Die Wabe hebt ab. Sie macht das gut, trotz ihrer gesegneten 25 Jahre.

Die freitäglichen Feierlichkeiten „25 Jahre Kultur im Ernst-Thälmann-Park“ offenbaren eine seltsame Dialektik. Einerseits spürt man, dass Die Wabe verankert im Kiez ist. Andererseits aber wirkt das Areal, das neben dem berühmten Oktogon auch noch das Theater unterm Dach, Kunstwerkstätten und die Galerie Parterre beherbergt, wie ein Widerstandsnest gegen die Gentrifizierung des Prenzlauer Bergs.

An diesem Abend jedenfalls sind nicht jene gekommen, die den Bezirk so gründlich verändert haben. Die meisten hier sind schon etwas älter, manch einer trägt einen Rauschebart, viele essen Bockwurst, und auch auf der Bühne wird eine alteingesessene Ost-Identität gepflegt. Die Stars dieses Abends sind Künstler, die schon in der DDR Erfolge feierten und nach der Wende wieder von vorne anfangen mussten, oft genug auf der Bühne der Wabe. Künstler wie Ex-Karussell-Sänger Dirk Michaelis, dessen metaphernschwangere Betroffenheitslyrik mit nachdenklichem Nicken quittiert wird.

Moderatorin Petra Schwarz verliest eine Grußbotschaft von der örtlichen Wohnungsbaugesellschaft, der Gewobag, die hofft, dass die „kulturelle Vielfalt im Thälmann-Park so vielfältig wie bisher“ erhalten bleibt. Auch die Brotfabrik, die mit der Wabe das Schicksal teilt, eines der wenigen Überbleibsel des staatlich organisierten Kulturwesens der DDR zu sein, hat einen Gruß geschickt und wünscht den Kollegen „viel Kraft, Ideenreichtum und Elan“.

Die Wabe ist nicht akut gefährdet, das war vor zwei Jahren noch anders. Da stand der Kulturstandort auf der Kippe. Im Gespräch war, dass eine Schule hier einziehen sollte. Nun kann man sich sogar darüber freuen, so verkündet Jens Becker vom Aktionsbündnis Berliner Künstler, das damals erfolgreich gegen die Umwidmung mobilisierte, dass „die BVV zum ersten Mal Geld in die Hand nimmt, um die Wabe zu sanieren“. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, einem ewig währenden Abwehrkampf beizuwohnen. Immer wieder beklagen die Redner, wie schwer es die kommunale Kultur hat, unter welch selbstausbeuterischen Bedingungen sie hier seit einem Vierteljahrhundert organisiert wird. Auch Komiker Olaf Schubert wünscht per Videobotschaft: „Toi, toi, toi – für die nächsten Wochen“. Wenzel singt einige seiner wundervollen Lieder, die größte Begeisterung erntet er für Witze, in denen der schlitzohrige Ossi dem selbstgewissen Schwaben eins auswischt.

Wenn es schon keine zwei deutschen Staaten mehr gibt, dann doch seit vergangenem Sommer wenigstens eine zweite Bolschewistische Kurkapelle schwarz-rot. Als die Absplitterung mit dem Zusatz 2.0 „Hyper Hyper“ von Scooter durch die Blechblasmangel dreht, guckt der Großteil des Publikums zwar noch perplex. Aber schon als kurz darauf „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ von Ton Steine Scherben mit Deichkinds „Remmidemmi“ zu einem chaotischen Mash-up verwurstet wird, landet die Zeitmaschine doch wieder sanft und sicher in der Jetztzeit. THOMAS WINKLER