Thema der Woche

Der Militäreinsatz in Libyen

■ betr.: „Dilemma der Schutzverantwortung“, taz v. 31. 3. 11

Eines ist klar zutage getreten: Die Waffenlieferungen an den libyschen Diktator waren völkerrechtlich unbedenklich! Sie entsprechen offensichtlich den UN-Kriterien. Waffenlieferungen an das libysche Volk sind völkerrechtlich bedenklich, sie entsprechen nicht der UN-Resolution!!! Das verstehe, wer kann! Crux ist wohl eher die Doppelzüngigkeit der Politik: nicht nur moralische Aspekte, sondern auch die Weitsicht in der Außenpolitik fallen der Wirtschaft, dem Kapital, zum Opfer. Vielleicht sollte die Rüstungsindustrie in Deutschland umdenken: Schwerter zu Windrädern!

NORBERT VOSS, Berlin

■ betr.: „Kampf um die Prestigestadt“, taz vom 29. 3. 11

Mit Entsetzen habe ich in der heutigen taz Foto, Bildunterschrift und den Artikel auf Seite 7 gesehen bzw. gelesen. Ein junger Mann mit triumphierend erhobenem Munitionsgurt „im frisch eroberten Brega“ – das neue Gesicht einer Demokratiebewegung? Und die Gegner? „Ganze Busladungen von gefangenen schwarzafrikanischen Gaddafi-Soldaten wurden weggekarrt.“ Haben die gekämpft oder sich kampflos ergeben? Warum haben sie sich als Söldner verdingt? Was passiert jetzt mit ihnen, nachdem sie wie Vieh weggekarrt wurden? Fragen, die die taz beantworten müsste.

UTE FINCKH, Berlin

■ betr.: „Das Dilemma der Schutzverantwortung“, taz vom 30. 3. 11

Wäre es nicht an der Zeit, Artikel 26 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland gegen die Führung eines Angriffskriegs in Erinnerung zu rufen? Wir werden nicht von Afghanistan oder Libyen angegriffen. Deutsche Soldaten haben bis heute in keinem Land der Welt eine Berechtigung zu Kriegshandlungen. Wäre es nicht an der Zeit, dass die „Freunde“ kriegerischer Auseinandersetzungen aufhörten zu schwiemeln und endlich sagten, sie wollen ein anderes Grundgesetz mit dem Einschluss kriegerischer Handlungen egal wann und wo? Natürlich nur mit den besten Absichten! Ich möchte gerne diesen Artikel 26 erhalten und von allen meinen Mitbürgern geachtet und respektiert wissen. STEPHAN POPOVIC, Stuttgart

■ betr.: „Dilemma der Schutzverantwortung“, taz vom 31. 3. 11

Dass „Verbrechen gegen Zivilisten in Libyen nur aufhören, wenn Gaddafis Regierung weg ist“, ist ein Wunschtraum. Warum sollte eine Machtübernahme durch eine Koalition ehemaliger Gaddafi-Getreuer und mit ihm verfeindeter Stämme ein Vorteil für die Masse der Libyer sein? Und wenn die Annahme der Stop the War Coalition stimmt, dass wieder Urangeschosse eingesetzt werden, wird die Bevölkerung noch viele Jahre davon krank werden. Der größte Euphemismus ist aber die Behauptung, dass die „Schutzverantwortung“ (R2P) als „völkerrechtlich verbindliche Rechtsnorm noch umstritten“ sei. Jede ernstzunehmende wissenschaftliche Betrachtung zeigt, dass R2P der Versuch ist, alle sonstigen Völkerrechtsnormen zu entsorgen – und in den internationalen Beziehungen Recht durch die Willkür des Stärkeren zu ersetzen. URS KLEINERT, Berlin

■ betr.: „Mein Pakt mit dem Teufel“, taz vom 29. 3. 11

Die Argumente sind knapp geworden. Wer kann sich noch gegen einen Militäreinsatz der Nato aussprechen? Hier ruft Avnery zum faustischen Pakt mit dem Satan, dort Levy zum Ausbruch aus dem Tal der Schande, schließlich Cohn-Bendit zur Ultima Ratio. Ich armer Pazifist und Zivildienstleistender, der gedacht hatte, mein einziges Verbrechen könnte das Rauchen auf dem Spielplatz der beaufsichtigten Kinder gewesen sein, werde plötzlich geradezu zum Massenmörder erklärt.

Aber das ist andererseits nichts Neues, sondern eine Rückkehr zur Normalität, wer sich dem Militär verweigerte, wurde immer mit dem zeitgenössisch je größtmöglichen moralischen Vorwurf, Vaterlandsverräter etc., konfrontiert. Jetzt ist man Kollaborateur von Massenmördern und Feind von Menschenrechten, weil man den Kriegsdienst verweigert. Eine Frage aber doch? Wie gesichert ist eigentlich die Behauptung, dass Gaddafi ein Massaker veranstalten wollte? Ich meine so einen Völkermord wie in Ruanda? Und, wie gesichert ist eigentlich das Verwerfen der These, dass es gerade durch diesen Militäreinsatz zu Zuständen wie in Darfur kommen könnte? Rad ab, taz.de

■ betr.: „Mein Pakt mit dem Teufel“, taz vom 29. 3. 11

Es ist gut, dass jemand wie Uri Avnery mit seinem Plädoyer für ein westliches Eingreifen in Libyen Position bezieht. Was die Kritiker militärischer Gewalt sagen und auch in der taz in Leserbriefen schreiben, ist für mich reine Ideologie nach dem Motto, was nicht sein darf, ist auch nicht so, das heißt militärische Gewalt ist per se immer schlecht, führt zu noch mehr Gewalt, Krieg und Elend.

Eines ist jedoch klar: Ohne das Eingreifen der französischen und britischen Luftwaffe und anderer hätte Gaddafi das Land bereits wieder unter Kontrolle. Seine Söldner hätten in Bengasi ein Blutbad angerichtet, und es wäre das Signal an die anderen Despoten in der Region ergangen, wenn ihr nur brutal genug gegen eure Bevölkerung vorgeht, habt ihr die Chance zu überleben. Der gerade beginnende Aufstand in Syrien hätte so nicht stattgefunden.

Die Argumente der Kritiker sind vielfach reflexhaft und unreflektiert. So geht es für sie immer um die Erdölsicherung, wenn der Westen in einem muslimischen Land eingreift. Dabei ist es gerade hier nicht so. Anders als Saddam Hussein war Gaddafi bislang ein Garant für die reibungslose Ölförderung und Belieferung gewesen und deshalb als Partner des Westens anerkannt. Doch soll man den Menschen in Libyen, die ihr Leben für die Freiheit opfern und uns um Hilfe anflehen, die Unterstützung verweigern nur wegen des Prinzips der Gewaltlosigkeit oder weil man hierin ein Risiko sieht? Die pazifistische Position war und ist in vielen Situationen nachvollziehbar. Aber sie versagt in diesem Fall vollends. HARTMUT GRAF, Hamburg

■ betr.: Mein Pakt mit dem Teufel“ taz vom 29. 3. 11

Jede revolutionäre Bewegung muss, um erfolgreich zu sein,

1. Einigkeit in der Bevölkerung herstellen,

2. die Herrschenden isolieren und vor allem ihre Machtinstrumente Militär und Polizei zersetzen, auf ihre Seite ziehen, wenigstens neutralisieren. Dies ist in Tunesien und in Ägypten bis zum Sturz der Machthaber gelungen, ob es weiterhin gelingt, wird sich erst noch zeigen müssen.

Es gibt kaum etwas, was den Machthabern so in die Hände spielt, ihnen die Möglichkeit gibt, sowohl Polizei, Militär als auch Teile der Gesellschaft hinter sich zu vereinigen, wie eine Intervention von außen. Der libysche Aufstand hat als revolutionäre Bewegung begonnen. Ob die Situation wirklich vom Aufstand und Revolutionskrieg in einen Völkermord umgeschlagen ist, kann man tatsächlich bisher nicht beurteilen. Sicher aber ist: Mit dem Eingreifen der Nato ist die Revolution verloren. Sowohl der Vergleich mit dem spanischen Bürgerkrieg als auch mit dem Holocaust ist schief. Der Angriff Francos auf die spanische Republik war in Teilen eine Intervention von außen, und dem Völkermord der Nazis ist doch keine Revolution vorangegangen?! Wie sangen trotzdem die spanischen Revolutionäre: „Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selbst tun!“

FRIEDEMANN SCHMIDT-MECHAU, Oldenburg

■ betr.: „Mein Pakt mit dem Teufel“, taz vom 29. 3. 11

Das Verhalten Deutschlands bei der Abstimmung in der UN ist mehr als peinlich, und die Gründe sind rational nicht nachvollziehbar. Uri Avnery bringt es mit all seinen historischen Beispielen auf den Punkt, manchmal geht es leider nicht ohne militärische Gewalt. Danke für diesen zupackenden Kommentar.

Auch ein Pazifist sollte sich nicht einfach wegducken, wenn sein Nachbar überfallen wird. Deutschland, Italien, Frankreich, Großbritannien und Russland: Alle haben Waffengeschäfte mit dem Diktator gemacht. Sie haben daher jetzt eine besondere Verpflichtung, das libysche Volk vor seinem Diktator zu schützen.

Das selbstgerechte Verhalten mancher Linker bringt mich in Rage. Bei der taz-Aktion „Waffen für El Salvador“ gab es noch einen linken Konsens.

JÜRGEN SCHIERHOLZ, Bremen

Kann den Aufständischen in Libyen, die die Diktatur Muammar al-Gaddafis stürzen wollen, durch das kriegerische Eingreifen der Nato geholfen werden? Ist der Pazifismus obsolet, weil es darum geht, die westliche Kriegsmaschinerie für Demokratie in Stellung zu bringen und einen Völkermord in Libyen zu verhindern, so wie es in Ruanda notwendig gewesen wäre?

Oder geht es doch nur um Kapitalinteressen, um das Öl? Spielt der Nato-Angriff den libyschen Machthabern in die Hände, weil sich Teile der Gesellschaft hinter dem Regime vereinigen? Sollen hier Völkerrechtsnormen endgültig entsorgt und soll Recht durch Willkür des Stärkeren ersetzt werden? Und kann die „Erlösung aus dem Elend“ nur selbst getan werden?

All diese Fragen zerreißen auch die Leserinnenschaft der taz.

Wir dokumentieren hier einen Auszug der vielen Zuschriften.