Psychofolter ohne Rechtfertigung

Eine internationale Studie zeigt: Es gibt keinen Unterschied zwischen körperlichen und seelischen Misshandlungen. Die Folgen sind gleich

Folteropfer haben einer neuen wissenschaftlichen Untersuchung zufolge langfristig unter den Folgen seelischer Misshandlungen genauso schwer zu leiden wie unter körperlichen Qualen. Der diese Woche im Fachmagazin Archives of General Psychology veröffentlichten Studie eines internationalen Psychologenteams kommt politische Bedeutung zu: Beim Umgang mit Terrorverdächtigen in Guantánamo, Irak und Afghanistan bedienen sich US-Behörden einer engen Definition von Folter, die körperliche Verletzungen ausschließt, psychischen Missbrauch aber zulässt.

Die Autoren der Studie sind zu einem anderen Ergebnis gekommen. „Eine Unterscheidung zwischen Folter und erniedrigender Behandlung ist nicht nur nutzlos, sondern auch gefährlich“, resümiert der Psychologieprofessor Steven Miles von der Universität Minnesota in dem Magazin. Die Untersuchung von 279 Folteropfern aus der Zeit der Balkankriege in den 90er-Jahren habe gezeigt, dass die Opfer psychischer Folter in gleichem Maße unter Folgeerkrankungen wie Depressionen oder traumatischen Störungen leiden wie die Opfer körperlicher Folter. Fast alle der für die Studie befragten Opfer waren geschlagen, gefoltert, erniedrigt und mit dem Tode bedroht worden. Sie wurden gebeten, die Angriffe auf Leib und Seele auf einer Skala von null bis vier einzuordnen.

Die Auswertung der Angaben führt den Wissenschaftlern zufolge zu dem Schluss, dass die Traumatisierung bei den unterschiedlichen Folterarten gleichartig ist: Sie resultiere allgemein aus einem Gefühl der absoluten Angst und Hilfslosigkeit in den Händen ihrer Schergen.

Schlechte Behandlung während der Gefangenschaft – aggressive Verhörmethoden, Isolation, erzwungene Nacktheit und Erniedrigungen wie etwa psychische Manipulationen – „scheint sich in Bezug auf die Schwere der seelischen Leiden nicht grundsätzlich von physischer Folter zu unterscheiden“, heißt es in der Untersuchung.

Die Befunde ließen darauf schließen, dass solche psychischen Misshandlungen „der Folter gleichkommen und deshalb völkerrechtlich verboten werden“ müssen. Das gelte insbesondere auch für die internen Richtlinien der US-Behörden im Umgang mit Terrorverdächtigen. Das US-Verteidigungs- und das Justizministerium hatten im Jahr 2003 Richtlinien ausgearbeitet, die nichtkörperliche Misshandlungen zulassen, um den Willen von Gefangenen zu brechen. AFP, DPA