berliner szenen Der Zukunft zugewandt

„Schneller, Pioniere!“

Fast alles an meinem Supermarkt in Friedrichshain ist perfekt. Viel Platz zwischen den breiten Gängen, immer frische Ware, nie eckt man mit dem Einkaufswagen an. Sucht man etwas, fragt man am besten die vietnamesische Aushilfe, die beidhändig Ware in die Regale packt, als würde sie Klavieretüden spielen.

Leider nur kaufen hier nicht viele Menschen ein, vor allem kaum jemand, der genießen möchte. Hauptsächlich sieht man junge Leute mit schrägen Taschen, die sich gesundheitsbewusst ernähren, im Einkaufswagen eine Flasche Evian, zwei Porreestangen und probiotischen Joghurt.

„Schneller, Pioniere!“, ruft die Kassiererin, wenn die Jugend von heute ihre Ware zu langsam auf das Band legt, weil sie nebenbei am Handy klären muss, was wo heute noch geht. Und natürlich nimmt diese Jugend keine Treueherzen an, die man in ein Bonusheft kleben muss, damit man Handtücher von Laura Ashley billiger bekommt. „Selbst Schuld!“, ruft die Kassiererin dann und gibt mir mehr Treueherzen als erlaubt.

Doch seit gestern schöpfe ich Hoffnung. Am Süßigkeitenregal stand eine Mutter mit ihrem Sohn Marlon, zweieinhalb. In ihrem Einkaufswagen lagen Chips, Pommes-Frites und eine Flasche Goldbrand. Das sah schon mal viel versprechend aus. Zu meinem großen Glück hüpfte Marlon dann auf einem Bein und fragte seine Mutter, wie lange sie das schaffen würde. „So lange, wie’s nötig is!“, antwortete sie. Und als wäre es noch nicht genug der Freude, erzählte mir Marlon, dass er wie ich lieber Colafläschchen als Gummibärchen essen würde. „Du sprichst aber gut!“, sagte ich zu ihm. „Du ooch!“, antwortete er. Wenn das nicht die Jugend der Kaufhalle von morgen ist. JUTTA RAULWING