Akkordarbeit mit Rekorden

SCHWIMMEN Die Ungarin Katinka Hosszú bewältigt bei der EM in Berlin das größte Pensum und ist zudem erfolgreich. Der deutsche Bundestrainer Henning Lambertz hält diese Verbindung für sehr nachahmenswert

■ Kristin Otto: 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul stieg die (dopingbelastete) DDR-Schwimmerin ziemlich oft auf den Startblock. Die Bilanz der Athletin des SC DHfK Leipzig lässt sich sehen: Siegerin über 50 m Freistil, Siegerin 100 m Freistil, 100 m Rücken, 100 m Schmetterling, 4x100 m Freistil und 4x100 m Lagen.

■ Ryan Lochte: Der US-Star sprang bei der Weltmeisterschaft in Barcelona 2013 gleich dreimal am selben Abend ins Wasser und gewann dabei zwei Goldmedaillen; außerdem schwamm er im Halbfinale über 100 Meter Schmetterling die beste Zeit. Zudem holte er in der 4x100-m-Freistilstaffel Silber. Lochte ist in fast allen Lagen schnell: Rücken, Schmetterling, Kraul.

■ Michael Phelps (USA): Der achtzehnfache Olympiasieger aus den Vereinigten Staaten ist bei der Weltmeisterschaft 2011 auch kaum aus dem Wasser gekommen. Am Ende seines Mammutprogramms hatte er sieben Medaillen gewonnen: Weltmeister über 100 und 200 m Schmetterling, 4x200 m Freistil, 4x100 m Lagen, Zweiter über 200 m Freistil und 200 m Lagen, Dritter über 4x100 m Freistil.

AUS BERLIN ANDREAS MORBACH

Das Schuhwerk der Katinka Hosszú macht schon mal was her. Zur blauen Kappe, dem roten Polo-Shirt und der blauen Trainingshose trägt die ultimative Vielschwimmerin der Berliner EM goldene Sportschuhe. Wie frisch poliert sehen sie aus, leuchten gülden von den Füßen der 25-jährigen Ungarin – die in diesen Tagen mal wieder schwer auf Achse ist. Zehn Einzelstarts, dazu noch ein Staffelrennen – ein derartiges Pensum spult im Velodrom kein anderer EM-Teilnehmer auch nur annähernd ab.

Auch heute ist sie selbstverständlich wieder im Wasser. Die Finals über 200 Meter Lagen stehen am Abend auf dem Programm. „Das ist das erste Mal, dass ich so viel schwimme, aber ich habe das während der Saison definitiv schon praktiziert“, erzählt Hosszú und verweist grinsend auf die letzte WM: „In Barcelona bin ich sechs Strecken geschwommen, und jetzt sind es eben ein paar mehr.“

Ein paar Medaillen wolle sie in Berlin einpacken, dazu einige persönliche Bestzeiten schwimmen, sagt die in den USA zur Psychologin ausgebildete Ungarin. Dabei war Hosszú am ersten Finalabend auf bestem Weg, über 400 Meter Lagen nicht nur ihre eigene Topmarke, sondern auch gleich den Weltrekord zu knacken. Bis zur Schlussbahn lag sie dabei klar auf Kurs, brach auf den letzten 50 Metern aber ein.

So verpasste sie bei ihrem immer noch deutlichen Sieg vor der Spanierin Mireia Belmonte Garcia auch ihren eigenen Europarekord. „Am Ende war ich tot, weil ich die ersten 300 Meter so schnell angegangen bin“, schnaufte Hosszú, als sie aus dem Berliner Wasser geklettert war, und klopfte sich selbst symbolisch auf die Schulter: „Im Vergleich zur Zeit bei meinem letzten EM-Sieg vor zwei Jahren war das ein Schritt nach vorne.“

Als Dreijährige lernte Hosszú bei ihrem Opa schwimmen, und zehn Jahre später stand sie erstmals im ungarischen Nationalteam, über die 200 Meter Lagen – die sie, neben der doppelten Distanz, auch schon bei der WM im Vorjahr gewann.

Im Fahrwasser von Barcelona stellte Hosszú bei den Kurzbahn-Weltcups in Eindhoven und Berlin im vergangenen August innerhalb von fünf Tagen sechs Weltrekorde auf, kassierte dafür 80.000 Euro an Preisgeld und Prämien. Allein bei Olympischen Spielen blieb die Goldschuhträgerin bislang blass. Bei drei Versuchen sprang noch kein Stück Edelmetall für sie heraus. Das soll sich nächstes Jahr bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro ändern.

Katinka Hosszús Leistungen sind dabei Wasser auf die Mühlen von Henning Lambertz. Der Chefbundestrainer will die DSV-Schwimmer in den nächsten Jahren kontinuierlich zu deutlich größeren Trainingsumfängen animieren. Auch Hosszús Landsleute Laszlo Cseh, ein Lagen-Experte, und Brustschwimmer Daniel Gyurta, der für Berlin über die 200 Meter abgemeldet hat, zählen auf längeren Strecken zur Weltspitze. Ebenso wie die Freiwasserschwimmerin Eva Risztov, in der Vorwoche EM-Zweite über die olympischen 10 Kilometer – oder deren Teamkollegin Anna Olasz, die der Mainzerin Angela Maurer am Sonntag die Silbermedaille über 25 Kilometer vor der Nase wegschnappte.

Eine Ansammlung starker Ausdauerathleten, bei denen Lambertz ins Grübeln kommt. Sein persönliches Ziel ist es, die deutschen Beckenschwimmer bis zu den Olympischen Spielen 2020 wieder zur Nummer eins in Europa zu machen – und der ehrgeizige Coach führt dafür einen schlichten Grund an. „Wir haben“, sagt er, „genug Potenzial in Deutschland, wir haben eine hohe Einwohnerzahl, sodass wir uns gegenüber Ländern wie Frankreich und Ungarn auf keinen Fall verstecken müssen.“

Australien und Amerika seien uneinholbar enteilt. Ähnliches gelte für die Chinesen mit ihrem riesigen Pool an Schwimmern. „Aber“, sagt Lambertz, „dass dahinter Nationen wie Japan oder Ungarn oder in letzter Zeit Südafrika weit vorne gelandet sind und so weltweit auf Platz fünf liegen, da muss ich ehrlich sagen, dass ich überhaupt keine Probleme sehe, dass wir die demnächst auch wieder schlagen können.“