Im Auge der Gewalt

Terre des Femmes startet morgen Kampagne zur Gewalt gegen Frauen. Kosten zahlt Werbeagentur

Der alltägliche Vandalismus hat augenscheinlich seine Spuren hinterlassen: Das Plakat zeigt eine junge Frau mit dunkler Haut, schwarzen Haaren. Obwohl unbekleidet und schutzlos wirkend, blickt sie entschlossen in die Augen des Betrachters. Das Plakat ist eingerissen. Ein Stück Schulter fehlt der Frau. Erst beim zweiten Blick wird deutlich, dass der angebliche Riss im Plakat Absicht ist. Und sein Dasein sich durch die Worte neben der Frau erschließt: „Jede Stunde werden über 300 Mädchen verstümmelt.“

Das Plakat ist Teil der heute zum Frauentag startenden Kampagne „Gewalt gegen Frauen ist Alltag“ von Terres des Femmes. Ziel der Kampagne ist es, Aufmerksamkeit für ein Thema zu schaffen, das in Vergessenheit zu geraten droht. Trotz seiner Präsenz: „Weltweit ist mindestens jede dritte Frau schon einmal geschlagen, zum Sex gezwungen oder auf andere Art und Weise missbraucht worden“, zitiert Christa Stolle, Geschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation, aus dem Weltbevölkerungsbericht der UN aus dem Jahr 2000. In Deutschland habe nach Angaben von Terres des Hommes bereits jede vierte Frau Gewalt erfahren müssen. Oft durch den eigenen Partner.

„Angesichts der Zahlen war ich verblüfft, wie wenig Öffentlichkeit das Thema hat“, sagt „Tatort“-Kommissar Jochen Senf gegenüber den vorwiegend weiblichen Journalisten, die bei der Pressekonferenz zum Kampagnestart anwesend sind. Senf ist zusammen mit den Schauspielerinnen Nina Hoss und Sibel Kekilli Botschafter der Kampagne. Er selbst werde in dieser Eigenschaft als Kampagnebotschafter gelegentlich von anderen Männern als Nestbeschmutzer betrachtet, sagt Senf. „Es sollte bereits den Jungs beigebracht werden, dass es schöner ist, mit einer starken und selbstbewussten Frau zusammen zu sein.“

Schwerpunkte der Kampagne sind die Themen Genitalverstümmelung, Ehrverbrechen und häusliche Gewalt. Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Abgeordnetenhaus, weiß um die Probleme, Öffentlichkeit für solche Themen zu finden. „Während der Euphorie der WM war es zum Beispiel sehr schwierig, ein Bewusstsein für die Problematik der zunehmenden Zwangsprostitution zu entwickeln.“

Das nachlassende Interesse spiegelt sich ebenfalls in den sinkenden Einahmen von Terres des Femmes wider. „Das Wachstum unserer Arbeit korrespondierte leider in den letzten Jahren nicht mehr mit einem Wachstum an Spenden und Zuschüssen“, sagt Stolle. Die Gelder für die Kampagne kommen deswegen nicht von Terres des Femmes. Die Werbeagentur Heymann Schnell zahlt die Rechnung. Gut für den Geldbeutel von Terre des Femmes und gut fürs Image der Agentur. KATHRIN SCHRECK