140 Zeichen Obama

Kommunikation Ausgerechnet das Bundespresseamt nutzt neue Medien und twittert Merkels Termine

Es ist schon ein Kreuz mit dem Journalismus. Ständig muss man auf dem neuesten Stand bleiben. So hab ich mir das ja nicht vorgestellt. Wozu sitz ich eigentlich hier in diesen Pressekonferenzen?

Früher, da hat man hier immerhin noch Exklusives gehört. Und jetzt? Dieser Seibert. Macht der da einen auf tough young guy. Vielleicht, weil dem auch die Haare ausfallen. Genauso wie diesem Steegmanns, dem Stellvertreter, der da vorne auf dem Podium sitzt und wieder so gelangweilt guckt. Twittern die einfach Termine der Bundeskanzlerin. Gesprächstermine mit dem Herrn Obama. Ich meine, nicht dass wir daraus jetzt ne Headline gestrickt hätten, so spektakulär ist das ja auch nicht. Aber ne Meldung wär das schon gewesen.

Wozu sitz ich hier eigentlich auf diesen ergonomisch völlig inakzeptablen Stühlen, wenn eh schon die ganze Welt weiß, was ich als Meldung raushauen will! Das steht dann da in diesem Twitter, und jeder kann es lesen, das ist ja einerseits gut, andererseits steht mein Name nicht drunter. Und ich krieg kein Geld dafür. Wofür braucht man mich denn dann eigentlich noch?

Ich hab das mal recherchiert. Auf Twitter, da steht doch der letzte Scheiß. Haben die Kollegen aus dem Feuilleton doch schon vor drei Jahren geschrieben. Warum ist das denn nicht schon früher weggegangen? Das geht aber bestimmt wieder weg. Das ist doch alles Befindlichkeitsmist und dämliche Kalauer. Ich hab das ja mal recherchiert mit diesem Twitter: Das ist ja nicht mal sicher. Da gibt’s ja zahlreiche Fälschungen, zum Beispiel Justin Bieber, der behauptet auch, Musiker zu sein in seinem Account. Der Dalai Lama twittert Kalenderblattsprüche, sehr verdächtig. Sogar der Führer twittert, dabei ist der doch schon tot.

Wie der Steegmanns wieder guckt bei meiner Frage, ob das auch bestimmt sicher sei. Ich hab das doch recherchiert, dass da einiges nicht stimmt. Aber der Steegmanns, der hört ja kaum zu hier, der schreibt doch bestimmt schon innerlich an seinem nächsten Tweet.

Ich muss mal wieder einen Leitartikel schreiben, irgendwas Emotionales. Irgendwo muss man ja hin mit seiner ganzen Wut. Ich weiß noch nicht, irgendein Thema über neue Medien, das immer geht. „Neue Medien“. Aber: provokativ. Und: lehrreich. Aber auch: überraschend. Und: das darf nicht auf 140 Zeichen passen. Niemals! Viertausend Zeichen müssen das schon werden, sonst lohnt sich der Aufwand finanziell ja gar nicht.

Aber mal überlegen. Irgendein Thema, das mir erlaubt, morgen meinen Internetanschluss zu kündigen, wenn das Konsens wird. Zum Beispiel Rente mit 45. Ja, das wär was. Für mich vor allem. Frédéric Valin