Angst vor der Flutwelle

MILITÄR Bislang haben die Kämpfer des Islamischen Staates (IS) die Kontrolle über den größten Staudamm des Irak. Doch mit Hilfe der USA versuchen die Kurden diesen strategisch wichtigen Punkt jetzt zurückzuerobern

BERLIN taz | Mit Unterstützung der US-Luftwaffe haben kurdische Kämpfer eine Offensive begonnen, um den größten Staudamm des Landes von den Dschihadisten zurückzuerobern. Der östliche Teil des Damms am Fluss Tigris sei am Samstag bereits eingenommen worden, sagte der kurdische Generalleutnant Abdulrahman Korini gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Bei den Kämpfen um den Staudamm nahe der zweitgrößten irakischen Stadt Mossul seien mehrere Dschihadisten getötet worden, sagte Korini. Die US-Armee sprach von neun Luftangriffen allein am Samstag. Nach Angaben des US-Militärkommandos Centcom zerstörten US-Kampfjets und Drohnen mehrere gepanzerte Truppentransporter, mit Waffen beladene Fahrzeuge und Geländewagen.

Der Mossul-Damm, der bei seiner Fertigstellung im Jahr 1986 noch Saddam-Damm hieß, ist 3.600 Meter lang und 135 Meter hoch. Er liegt am Tigris, etwa 40 Kilometer flussaufwärts von Mossul. Der Damm und der Stausee versorgen den Nordirak mit Wasser und Strom.

Am 7. August war er von Kämpfern des Islamischen Staates (IS) erobert worden. Seither war befürchtet worden, der IS könnte Städte überfluten sowie die Wasser- und Stromversorgung unterbinden. Im Falle einer Sprengung würden die Wassermassen als Erstes Mossul erreichen, das mit seinen 1,7 Millionen Einwohnern jedoch von den Dschihadisten selbst kontrolliert wird. Von dort aus würde das Wasser weiter nach Bagdad und in die davon südlich gelegenen landwirtschaftlichen Gebiete strömen. Experten schätzen, dass die dann abgeschwächte Welle immer noch etwa drei Meter hoch wäre.

Im Hinblick auf die militärische Lage im Norden macht es daher für die Gegner des IS Sinn, sich zunächst der Kontrolle über den Staudamm zu versichern, ehe sie in die von den Terroristen gehaltenen Gebiete unterhalb der Talsperre oder in die Umgebung von Mossul vorstoßen. Das heißt aber zugleich, dass der IS mit der Kontrolle des Staudamms über ein enormes Druckpotenzial verfügt.

Um das zu demonstrieren, müssen die Dschihadisten des IS aber nicht gleich ganze Staudämme sprengen. Es genügt schon, einen Stausee überfließen zu lassen, um Felder und Dörfer zu fluten, wie es offenbar geschah, nachdem die Stadt Falludscha in der Provinz Anbar im Februar dieses Jahres erobert wurde.

Einem Bericht der britischen BBC zufolge vertrieb im Mai eine Flut zwischen Falludscha und Abu Ghraib etwa 40.000 Personen. Anfang August sollen IS-Milizionäre acht der zehn Schleusen des Falludscha-Dammes geschlossen haben. Dies habe dazu geführt, dass der Wasserstand des Euphrat in den weiter südlich gelegenen Provinzen des Irak gesunken sei. Inzwischen sollen fünf der Schleusen wieder geöffnet worden sein. Im Süden des Irak leben mehrheitlich Schiiten, während die IS-Milizionäre Sunniten sind. BEATE SEEL