Alles außer Sommermärchen

FUSSBALL Das 8. Internationale Fußballfilmfestival im Babylon zeigt Spiel- und Dokumentarfilme rund um Glanz und Elend des Populärsports. Es sind Geschichten von erschöpften Profis und den Träumen afrikanischer Jungs

Er hätte ein ganz Großer werden können – und scheiterte gnadenlos am System

VON JULIA SCHWEINBERGER

Sieg und Niederlage liegen beim Fußball nicht weit auseinander. Gemeinschaftsgefühl und Fanatismus, gefeierte Helden und tragische Verlierer: Der Mannschaftssport bewegt und provoziert weit über das Sportliche hinaus.

Mit Fußball als kulturellem und gesellschaftlichem Phänomen beschäftigt sich das 8. Internationale Fußballfilmfestival „11 mm“. Bis zum 30. März zeigt das Kino Babylon dazu fast 50 Spiel- und Dokumentarfilme. Die widmen sich nicht nur den heroisch-männlichen Aufstiegsgeschichten, sondern auch dem weniger beachteten Frauenfußball – und den Schattenseiten des populären Sports.

Zum Festivalauftakt am Freitagabend zeigt das Babylon Aljoscha Pauses „Tom Meets Zizou“. Der Film erzählt die Geschichte des Fußballprofis Thomas Broich. Der Untertitel „Kein Sommermärchen“ deutet an, dass die Karriere Broichs nicht glücklich verlaufen ist. Die Langzeitdokumentation erzählt die Geschichte eines Fußballers, der ein ganz großer hätte werden können. Der kurz davor stand, für die Nationalmannschaft zu spielen, und dann gnadenlos gescheitert ist an einem System, das keinen Platz lässt für nachdenkliche, sensible Charaktere. Für Spieler, die den Fußball lieben, aber eigene Standpunkte vertreten und sich nicht verbiegen wollen.

Acht Jahre begleitete Pause den Fußballer mit der Kamera. Angefangen 2003, als Thomas Broich noch für den Zweitligisten Wacker Burghausen spielte. Jetzt, acht Jahre später, spielt Broich in Australien und belegte dort bei der Wahl zum Fußballer des Jahres den zweiten Platz. Dazwischen liegt eine Karriere, in der es höher und tiefer kaum hätte gehen können. Nach dem Wechsel in die erste Bundesliga zu Mönchengladbach ging es für ihn zunächst steil nach oben. Er schlug fantastische Pässe, schoss Traumtore. Die Medien feierten ihn, verpassten ihm den Spitznamen „Mozart“, weil er hin und wieder klassische Musik hörte. „Ich hab mich natürlich geschmeichelt gefühlt. Durch die Mozart-Nummer konnte ich mich von anderen abheben“, erzählt Broich heute.

Die chronologisch erzählte Dokumentation wird immer wieder unterbrochen von Szenen, in denen Broich auf sich selbst zurückblickt. „Ein seltsames Gefühl ist das“, findet der Fußballer, „wenn man im Nachhinein erkennt, wie dämlich man manchmal war. Da war so viel Eitelkeit, so viel Provokation, ist ja klar, dass das nicht gut gehen konnte.“ Und so folgte auf den Aufstieg der brutale Abstieg. Broich spielte schlecht, der Druck wuchs. Das Mozart-Image wurde ihm zum Verhängnis, ein gefundenes Fressen für seine Kritiker. Es fiel Broich schwer, zum Training zu gehen, auf dem Platz konnte er sich kaum bewegen. „Das war schon nah dran an einer ausgewachsenen Fußballdepression“, sagt Broich, „da wusste ich, ich muss hier weg.“ Aufrichtig, ohne zu beschönigen, erzählt er seine Geschichte. Ein selten intimer Blick hinter die Kulissen des Profisports.

Wie nah Erfolg und Elend im Fußball beieinanderliegen, zeigt auch Suridh Hassans „Soka Afrika“. Der Film dokumentiert die Schicksale zweier junger afrikanischer Spieler. Der eine, Kermit Erasmus, hat den Durchbruch geschafft. Er spielt in der holländischen Liga für Feyenoord Rotterdam, der Profi-Traum ist für ihn wahr geworden. Ndomo Sabo dagegen landet nach einem verpatzten Probetraining in Paris auf der Straße. Er ist einer von vielen jungen afrikanischen Spielern, die von angeblichen Fußballscouts nach Europa verschleppt werden.

In der Hoffnung auf Ruhm und Erfolg verkauft die Familie ihre gesamte Habe, um dem Sohn einen Flug nach Frankreich zu ermöglichen. Dort angekommen, ist der Scout mit dem Geld verschwunden. Ndomo steht allein da – wie viele andere, die sich dann nicht mehr nach Hause trauen. Zu groß ist die Schande zurückzukehren, ohne etwas erreicht zu haben.

Was diesen Film auszeichnet, ist seine Objektivität. Er sucht nicht nach Schuldigen, bleibt neutral. „Wir wollten einfach die Wahrheit zeigen. Urteilen sollen die Zuschauer“, erklärt Simon Laub, Produzent von „Soka Afrika“. Am Ende des Festivals wird das Publikum darüber entscheiden, welcher Film die „Goldene 11“ für den besten Fußballfilm 2011 verdient hat. Verlierer dürfte es hier kaum geben.

■ „11 mm“ vom 25. bis 30. März im Kino Babylon. 25. März, 19.30 Uhr: „ Tom Meets Zizou – Kein Sommermärchen“, 29. März, 20.00 Uhr: „Soka Afrika“