IRRUNGEN UND WIRRUNGEN
: Verwandtschaft

Mittagessen beim Metzger Schloeper

Mein Bruder, meine kleine Tochter und ich kehren zum Mittagessen beim Metzger Schloeper in der Dunckerstraße ein. Der Laden ist weiß gekachelt. Es gibt Stehplätze an Tischen und an einem ebenfalls weiß gekachelten Tresen, der einen an ein Pissoir erinnert. Aber an ein sehr sauberes Pissoir. An einem Stehtisch in der Ecke essen zwei junge Männer mit Irokesenschnitt – so wie sie Fußballspieler seit einigen Jahren tragen – Gulaschsuppe und unterhalten sich über eine Filmproduktion.

Mein Bruder bestellt Soljanka, ich eine Bulette mit Senf und meine Tochter hat schon gegessen. Als der Metzger die Suppe vor meinen Bruder stellt, weiß ich, dass ich eigentlich eine Soljanka haben wollte. Mein Bruder isst, ohne zu murren, meine Bulette mit Senf, und meine Tochter bekommt von uns beiden etwas ab.

Nach einer Weile fängt meine Tochter an zu meckern. Der Metzger schaut sie wissend an. „Der will nicht, dass Papa ihm alles wegisst“, sagt er.

„Das ist ihr Onkel“, sage ich. „Dit steht ihm nüscht auf der Stürne geschrieben“, sagt der Metzger ein bisschen beleidigt. Mein Bruder kichert.

Die Metzgersfrau erscheint aus dem Hintergrund. „Der Kleine will sicher eine Wiener“, sagt sie und zeigt auf meine Tochter. „Das ist ein Mädchen“, sage ich. „Auf ihrer Stürne steht och nüscht“, sagt der Metzger jetzt aufsässig. Seine Frau murmelt etwas von einem hellblauen Schneeanzug, den meine Tochter trägt.

Ich bestelle jetzt doch noch eine Wiener Wurst für meine Tochter. Der Metzger erklärt mir, dass er nur Hunden und Kindern die Wiener Wurst so roh und kalt auf die Hand gebe. Meine Tochter verschlingt die Wurst roh und vergnügt.

„Ihre Frau hat recht gehabt mit der Wiener Wurst“, sage ich versöhnlich zum Metzger. „Das ist meine Mutter“, sagt er. MAREIKE BARMEYER