Die Stör-Freundin

Eigentlich hat sie mit Kaviar nicht viel am Hut. Gut, sie isst ihn hin und wieder, aber das Forschungsgebiet von Angela Köhler, die kürzlich eine kleine Kaviar-Revolution anzettelte, ist die Meeresökologie: Mit Mikroplastik in den Meeren und Krebs bei Fischen befasst sich die am Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) tätige Wissenschaftlerin.

Aber vor ein paar Jahren war sie im Iran auf einer Konferenz über den vom Aussterben bedrohten Stör. Auf dem Programm stand auch der Besuch einer Kaviarfarm – Köhlers Schlüsselerlebnis: „Als ich sah, wie dem nur kurz betäubten Fisch der Bauch aufgeschlitzt wurde, damit man an den unreifen Laich, den Kaviar, kam, dachte ich: Das kann nicht sein. Der Stör ist vom Aussterben bedroht; es muss eine andere Möglichkeit geben, guten Kaviar zu machen.“

Bislang waren aber alle Versuche gescheitert, bereits gelegte Kaviar-Eier zu verarbeiten, weil sie bei der Verarbeitung schnell zerfallen. Köhler forschte und bemerkte: Sobald das abgelegte Ei besamt ist, schießt Kalzium hindurch, um die Eihülle zu festigen.

Und was tut Köhler seit Mai in ihrer inzwischen 7.000 Tiere fassenden Kaviarfarm im niedersächsischen Loxstedt? Sie taucht die reifen, aus dem Störweibchen sanft herausmassierten Eier in Kalziumlösung – und bekommt astreinen, nicht klebrigen, nicht zerfallenden Kaviar. Und der Fisch überlebt.

Das ist ein echtes Novum, und das AWI hat die Sache sofort patentieren lassen, in vielen Ländern schon. Da das teuer ist, kam man irgendwann auf die Idee, sich das Geld zurückzuholen: mit Hilfe einer Kaviarfarm, die das neue Verfahren erfolgreich praktiziert. „Wir sind derzeit dabei, weltweit die Märkte zu erschließen“, erzählt Köhler munter.

Außerdem macht ihr die Arbeit mit den Fischen Spaß – und sie ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch: Ein Stör braucht nämlich bis zu acht Jahre, bis er zum ersten Mal laicht. Es ist also viel billiger, die Fische leben zu lassen, als immer neue zu züchten.  PS