Turnier der Namenlosen

Seit gestern laufen die deutschen Tennismeisterschaften. Sie sollen ein Schaufenster für den Nachwuchs sein. Doch viele Hoffnungsträger haben Deutschland schon lange den Rücken gekehrt

aus berlin lars geiges

Ein Turnier ohne große Namen sind die Deutschen Tennismeisterschaften, die gestern in Seeburg bei Berlin begonnen haben. Gehen bei den Frauen dreizehn der deutschen Top-20-Spielerinnen an den Start, sind es bei den Herren nur fünf. Einzig Florian Mayer, Weltranglistenposition 57, bringt einen Hauch von Weltklasse in die Veranstaltung.

„Die Konzentration liegt eindeutig auf den jungen Spielern“, sagt Klaus Eberhard, Sportdirektor des Deutschen Tennis Bundes (DTB). Ihnen macht der Verband den Start schmackhaft: Die Sieger erhalten Wildcards für die großen Sandplatzturniere in Hamburg und Berlin. Doch viele deutsche Jungprofis verzichten auf die Veranstaltung, bei der es mit 3.600 Euro für den Turniersieg vergleichsweise wenig Geld zu gewinnen gibt. Zwei prominente Abstinenzler sind Benjamin Becker und Alexander Waske. Beide Spieler sagen, sie würden gerne einmal Deutscher Meister werden. Dennoch fehlen sie: „Einen Termin zu finden, der jedem passt, ist eine schwierige Sache“, gibt Waske zu. Außerdem gibt es keine Weltranglistenpunkte zu gewinnen. Auch für Becker kommt die Veranstaltung zum Ende der Saison ungelegen. „Ich habe das ganze Jahr sehr viele Turniere gespielt. Da brauche ich einfach eine Pause“, so der 25-Jährige, der sich in Florida auf die kommende Saison vorbereiten wird.

In ihrer Karriere hatten beide Profis die Deutschen Meisterschaften bisher nicht nötig. Denn sie haben außerhalb der Verbandsstrukturen den Sprung ins Profilager geschafft. „In Deutschland ist die Ausbildung nur schwierig mit dem Tennis zu vereinbaren“, sagt Waske, der im Jahre 1997 an die San Diego University ging. Damals war der Frankfurter als Nummer 199 der deutschen Rangliste bestenfalls nationaler Durchschnitt. Rasch verbesserte er sich und ihm gelang der Sprung auf die Profitour. „Ich kann nur jedem empfehlen, der hier in Deutschland nicht alles wegmetzelt, rüberzugehen, um es dort zu probieren“, sagt der Daviscup-Spieler. „Ich wollte noch gar kein Profi werden, als ich ankam. Erst durch das intensive Training und einen sehr guten Trainer bin sehr schnell viel, viel besser geworden“, erklärt der Deutsche seinen Leistungssprung. Im Jahre 2003 war Waske drittbester Deutscher. Die Weltrangliste führte ihn auf Platz 89. Im Doppel belegte er gar Rang 29. Nebenbei studierte der Hesse International Business.

Ähnlich verlief die Karriere von Benjamin Becker. Der Saarländer entschied sich erst letztes Jahr, Tennisprofi zu werden. Entscheidende Schubkraft seiner Karriere: das Training an der Baylor University in Texas. „Ich habe innerhalb ganz kurzer Zeit sehr viel Kraft hinzugewonnen. Meine Schläge wurden dadurch schneller und konstanter“, sagt der 25-Jährige, der diese Saison auf Platz 58 beendete und betont: „Auch in Deutschland habe ich Konditions- und Krafttraining gemacht, allerdings nicht so intensiv wie am College.“

Die Erfolge der Tennisauswanderer haben sich herumgesprochen. Philipp Liedgens, Geschäftsführer der Agentur sport-scholarships.com, die Sportler an US-Colleges vermittelt, geht derzeit von einer dreistelligen Zahl deutscher Tennisspieler an amerikanischen Universitäten aus. Tendenz steigend. „Nächstes Jahr werden allein wir etwa 40 bis 50 Spieler in die USA vermitteln.“ Die Ausbildung deutscher Spieler zu Spitzenprofis findet mehr und mehr an amerikanischen Universitäten statt. Bei einer deutschen Meisterschaft, der prominentesten Nachwuchsveranstaltung des DTB, wird man diese Spieler wohl kaum sehen.