Der Herr der Bausteine

Aus der Fehlervermeidungstaktik von Hannovers Trainer Hecking ist längst eine Tormaschine geworden, die die Etablierten der Liga das Fürchten lehrt

„Ich weiß nicht, was ich der Mannschaft noch alles zutrauen kann“, sagt Hecking

von LARS GEIGES

Eines vorweg: Hannover ist von seinem Fußballverein mächtig beeindruckt. Beim 4:2-Erfolg über Borussia Dortmund versprüht Hannover 96 Glücksgefühle und lässt seine Anhängerschaft gar vom Uefa-Pokal träumen. Lediglich drei Punkte beträgt nunmehr der Rückstand auf die begehrten Plätze.

„Wir sind alle euphorisiert. Und ich werde die Fans sicher nicht bremsen. Sie haben das Recht darauf, ein bisschen zu träumen“, sagt Hannovers Trainer Dieter Hecking. Tatsächlich reicht die Bandbreite der Freude in Hannover von „sehr schön“ (Torwart Robert Enke) über „einfach klasse“ (Hecking) bis zu „schlichtweg fantastisch“ (Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff).

Anlass zur kollektiven Hochstimmung gab die zweite Spielhälfte, in der Hannover 96 dem Gast aus Dortmund binnen 22 Minuten vier Tore verpasste. Szabolcs Huszti (56.), Jiři Stajner (67.) und Arnold Bruggink (76./78.) trafen für die 96er. Dabei war ein Dortmunder Steigbügelhalter des Erfolgs: BVB-Stürmer Nelson Valdez. Der Paraguayer verursachte den Strafstoß zum 0:1 und drosch kurz darauf den Ball auf die Ränge. Die Folge: Gelb-Rot für den Dortmunder und fortan eine totale Dominanz für Hannover.

„Hannover ist eine Mannschaft, die momentan einfach einen absoluten Lauf hat. Sie spielen sehr aggressiv und diszipliniert. Dass sie dann mit einer Führung im Rücken aufdrehen, ist doch völlig normal“, sagt der Dortmunder Mannschaftskapitän Christoph Metzelder. Auch die Selbstwahrnehmung hat sich in der niedersächsischen Landeshauptstadt gewandelt. Mittlerweile sieht sich der Verein „auf Augenhöhe mit Dortmund“ (Hecking). Auch die beiden späten Gegentreffer durch Ebi Smolarek (88.) und Florian Kringe (90.) ändern daran nichts. Erfolg macht eben rasch selbstbewusst.

Deshalb erinnert Trainer Hecking an vergangene Tage: „Wir sind Realisten. Wenn man mir vor vier oder fünf Monate gesagt hätte, dass ich ihnen heute was vom Uefa-Pokal erzählen soll, dann hätten mich alle ausgelacht. Niemand hat auch nur einen Pfifferling auf die Truppe gegeben.“

Was ist also geschehen bei Hannover 96, das in der Hinrunde noch Tabellenletzter war? Ein Grund für die Trendwende ist die Verpflichtung Dieter Heckings aus Aachen. Der Trainer-Transfer, damals umstritten, war ein Glücksgriff für den Verein. Seine Spielphilosophie, geprägt von einer Fehlervermeidungstaktik, passt genau zur 96-Belegschaft. Die Spieler besitzen nun eindeutige Handlungsvorgaben, was ihnen mehr Sicherheit auf dem Platz gibt. „Wir haben außerdem unser gesamtes Spiel weiter nach vorne geschoben – weg vom eigenen Tor. Dadurch machen wir es unseren Gegnern schwer,“ sagt Nationalspieler Robert Enke. „Es sind viele kleine Bausteine, die jetzt zueinander passen.“

Am Dienstag spielt Hannover im Viertelfinale des DFB-Pokals in Nürnberg. Hecking sagt dazu: „Ich weiß nicht, was ich meiner Mannschaft noch alles zutrauen kann. Sie will aber nach Berlin.“ In Hannover gilt uneingeschränkt: Träumen erlaubt.