EIN NOTEINSATZ
: Die Kittelhalter

„Samma, Pflaum’? Wo sind denn Pflaum’?“, ruft die Kassiererin

Feierabend. Vor Edeka mischt sich blaues Blinken in die Abendsonne: ein Krankenwagen. Es riecht nach Drama, aber drinnen ist gar nichts. Ich ziehe träge meine Runde durch die Gänge.

Erst mal die Flaschen in den Automaten. So. An der Grilltheke nebenan wird schon der Edelstahl gescheuert. Jetzt noch ein paar Kleinigkeiten … Salat, Ziegenkäse, Apfelschorle … das reicht für heute. Ach ja, Knabberzeug noch. Fertig.

An der Kasse ist irgendwas komisch. Eine Frau und zwei Männer machen eine Art Performance: Sie haben sich zu einem Dreieck formiert, die Gesichter einander zugewandt, breiten sie die Arme aus und halten in Brusthöhe weiße Kittel aufgespannt.

Edeka-Kittel. Stehen so da und schweigen. Links und rechts davon wird an der Kasse bezahlt. Ich brauche ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass der Notarzteinsatz doch hier im Supermarkt stattfindet. Zwischen den Kitteln erahnt man eine Person, die auf dem gefliesten Boden liegt, jemand kniet neben ihr und redet mit ruhiger Stimme. Die drei Kittelhalter schirmen das alles stoisch ab, und die Kunden – wir Kunden – schauen beflissen daran vorbei und lassen den Blick nur hin und wieder wie beiläufig über die Szene huschen.

Während hinter ihr eine Ärztin oder Pflegerin den Inhalt eines Fläschchens auf ihre Spritze zieht, hat die Kassiererin an meiner Schlange ein Problem. „Samma, Pflaum’? Wo sind denn Pflaum’?“, ruft sie in den Raum. Es antwortet die Frau aus dem Abschirmteam: „Keene Pflaum’, det sind Zwetsch’n. Probier mal die Dreifuffzich.“ – „Jeht!“

Dann bin ich dran. Ich zahle Salat, Käse, Schorle und Salzstangen, und gleich daneben wird jemandem das Leben gerettet (vielleicht). Wirklich kein Drama eigentlich, wir machen das alle sehr professionell. „Ham Se ’ne Deutschland-Card?“

CLAUDIUS PRÖSSER