ISABEL LOTT WUTBÜRGERIN
: Total gut vernetzt

Wer vorne mitmischen will, muss vor allem eines können: sich gut vernetzen.

Ich dachte immer, das sei den Systemadministratoren vorbehalten. Doch heute wird dieses Kriterium fast jeder Person, die einen guten Posten ergattert hat, als wichtigste Qualifikation für den Karrieresprung zugeschrieben. Welche Fähigkeiten und Kenntnisse jemand mitbringt, scheint zweitrangig zu sein. Hauptsache, gut vernetzt. Das hört sich vor allem so lässig an, und niemand macht sich die Mühe zu beschreiben, was damit eigentlich gemeint ist. Wenn mir ein Politiker vorgestellt wird, der in Berlin gut vernetzt sei, bin ich hinterher genauso schlau wie vorher. Kann der in jeder Berliner Kneipe einen Deckel machen oder hat er genügend politische Freunde für eine ordentliche Intrige?

Unter dem Druck, sich bestens zu vernetzen, wanzen sich die Leute gegenseitig aneinander heran in der Hoffnung, dass sich dies womöglich auszahlen könnte. Da wird persönliches Interesse geheuchelt, obwohl einen die Person ganz fürchterlich langweilt. Aber egal, vielleicht kann sich der Langweiler mal nützlich machen.

Diese Seuche hat inzwischen alle Gesellschaftsschichten erreicht. Vom umtriebigen Kulturarbeiter bis zum kleinen Doktoranden sind alle mit Netzwerken beschäftigt – und zwar immer und überall. Und das nervt, vor allem weil ich feststellen muss, dass ich auf der nach oben offenen Wichtigkeitsskala ein ganz kleines Licht bin.

Deshalb bin ich bei verschiedensten Anlässen mit Gesprächspartnern konfrontiert, die sich mit mir unterhalten und dabei unermüdlich die Umgebung abchecken. Die haben nackte Angst, dass sie gerade ihre Zeit mit mir vergeuden. Da könnte ja jemand auftauchen, den sie sofort anbaggern müssen. Wenn das passiert, lassen mich die eifrigen Netzwerker auch schon mal mitten im Satz stehen. Und das mir, die jahrelang ihre Visitenkarte mit der Berufsbezeichnung „richtig wichtig“ verteilte. Das war offensichtlich sinnlos.