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: Buchstabieren Sie „Bouillabaisse“!

Bei Kabel 1 saust das „Quiztaxi“ mit zunehmendem Erfolg durch den Vorabend. Warum eigentlich?

Im Grunde genommen könnte es einem egal sein, mit welcher Duettpartnerin Enrique Iglesias einen Hit gelandet hat, wie das Gerät heißt, mit der sich im Auto die Geschwindigkeit regeln lässt oder ob man „Bouillabaisse“ mit einem oder zwei „s“ buchstabiert. Es geht ja um nichts. Na ja: nicht um Millionen jedenfalls, wie man das vom Fernsehen gewohnt ist. Und doch halten sich bei Thomas Hackenberg erwachsene Menschen zitternd an den Händen, wenn sie für ein paar hundert Euro eine „Masterfrage“ beantworten müssen, rufen Freunde per Handy an, um herauszufinden, wie noch mal die Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika heißt, und brechen in wildes Gekreische aus, wenn sie ein Taschengeld zugesteckt bekommen.

Seit Sommer rollt bei Kabel 1 das „Quiztaxi“ durch den Vorabend. Moderator Hackenberg überrascht Fahrgäste mit der Aufforderung, ihm während der Fahrt zum Ziel ein paar Fragen zu beantworten und verschenkt für richtige Antworten mal 50, mal 100 Euro. Wer alles richtig macht, kriegt das Geld „BAT“, „bar auf Tatze“, wie Hackenberg scherzt. Beim dritten Fehler allerdings hält das Taxi an und schmeißt seine Kandidaten raus.

Simpler kann man eine Quizshow kaum konzipieren. Und dennoch fährt Kabel 1 mit seiner mobilen Ratesendung inzwischen ganz erstaunliche Quoten ein. An guten Tagen schauen um viertel vor acht anderthalb Millionen Menschen zu – angesichts der ungeheuren Konkurrenz zu dieser Zeit ist das ein Riesenerfolg. Den Zuschauern scheint es schnuppe zu sein, dass es mal nicht ums große Geld geht. Beim „Quiztaxi“ stehen die Kandidaten im Mittelpunkt. Die haben sich nicht beworben, nicht auf ihren großen Auftritt vorbereitet, sondern müssen von jetzt auf gleich mit Spontaneität glänzen.

Plötzlich sitzt der Anwalt, der mit seinen beiden Assistentinnen in der Mittagspause essen fahren wollte, in dieser peinlichen Fernsehveranstaltung und sieht ziemlich genervt aus. Aber mit jeder richtig beantworteten Frage wird seine Begeisterung größer. Aus einer Frau, die beantworten soll, wie viele Lohnsteuerklassen es gibt, platzt es heraus: „Sechs! Ich bin Steuerfachangestellte, wäre schlimm, wenn ich das nicht wüsste.“ Als ein junger Mann seinen Vater als Telefonjoker anrufen will, sagt seine Freundin empört: „Dein Vater weiß das doch nicht!“ Zwischendurch werden wildfremde Leute als „Passantenjoker“ auf der Straße herangerufen – irgendwer weiß immer Bescheid. An roten Ampeln kann man Joker zurückgewinnen, wenn man Karaoke singt oder mit einem Tischtennisball im Mund schwere Begriffe vorliest. Das ist Kindergeburtstag – aber scheinbar genau das Richtige für den Vorabend. Die Zuschauer können jederzeit einsteigen, jederzeit aussteigen, ohne etwas zu verpassen.

Am Mittwoch saß ein Paar im Quiztaxi, das 750 Euro gewonnen hatte. Als Hackenberg fragte, ob sie ihr Geld mit der „Masterfrage“ verdoppeln wollten, schüttelten beide wie selbstverständlich den Kopf: „Da wir nicht so viel haben, reicht uns das. Weihnachten ist gerettet.“ Es muss eben wirklich nicht immer die Million sein.

PEER SCHADER