berliner szenen Originelles Urlaubsfoto

Die Kuh rollt

Auf dem Ku’damm war ein Tier los. Erst in diesem zweiten Satz erwähne ich, dass es sich um eine Kuh handelte, um unfreiwillige Wortwitze zu vermeiden. Die Kuh auf der beliebten Einkaufsmeile war rot und weiß bemalt und gehörte zur Dekoration eines Restaurants. Sie war aus Plastik, lebensgroß und auf Rollen befestigt – weshalb man sie sonst ganz nach Lust und Laune etwas verschieben hätte können. An diesem windigen Tag aber hatte die Konstruktion einen entscheidenden Nachteil: Die Kuh rollte ganz langsam quer über den breiten Bürgersteig. Passanten wichen aus, ein Hund bellte. Schon näherte sich das Tier der viel befahrenen Straße. Beinahe hätte die Rollkuh ein erbost hupendes Taxi angefahren, doch im letzten Moment griff eine Touristin ein: Sie hielt das Tier an dessen kräftigem Schwanz fest.

Das wäre mal ein originelles Urlaubsfoto gewesen: Frau mit Kuh vor Ständer mit Postkarten, auf denen die üblichen Fernsehtürme und Brandenburger Tore zu sehen sind. Aber dem Begleiter der Frau war die Szene kein Schnappschuss wert. Außerdem gestikulierte die Frau wild mit ihrer freien Hand, was auf der Aufnahme wohl unvorteilhaft rübergekommen wäre. Der Mann verstand das energische Winken richtig und betrat das Restaurant, um Hilfe zu holen. Da kamen auch schon zwei Kellner mit charmant Alm-Öhi-haften Schürzen aus dem Restaurant. Mit vereinten Kräften schoben sie die Kuh zurück an ihren Platz vor dem Eingang des Lokals und legten ihr eine Leine an. Hier gehörte sie hin, vor die Hauswand, neben die Blumentöpfe. Zum Abschied tätschelte der Mann den mächtigen Kunststoffhintern der Kuh, dann umarmte er seine Frau und sie schlenderten um eine gute Tat bereichert weiter.

LENA HACH