„Wir sind wie ein kleines gallisches Dorf“

Fünf Jahre lang war sie Kuratorin beim Frankfurter Kunstverein. Seit September 2006 leitet Vanessa Joan Müller den Kunstverein in Düsseldorf. Nach Eröffnung der ersten Ausstellung schildert sie ihre Eindrücke und schaut in die Zukunft

taz: Womit haben Sie den Vorstand überzeugt?

Vanessa Joan Müller: Was der letztlich gut fand an mir, weiß ich gar nicht.

Und was fanden Sie besonders attraktiv an Düsseldorf?

Im 40. Jubiläumsjahr 2007 soll die brutalistische, anfangs nicht ganz einfach zugängliche Kunsthallen-Architektur von Konrad Beckmann im Kontext ihrer Nutzung thematisiert werden. Die Raumstruktur und der Charme des Betons sind Besonderheiten des Düsseldorfer Hauses, die wieder zu Bewusstsein gebracht werden sollten.

Lässt sich denn hier im abgesteckten Kunst-Terrain überhaupt noch Neues denken?

Interessanterweise bemerke ich hier, das war in meinen fünf Frankfurter Jahren nicht anders , dass eine breite institutionelle Landschaft nicht Konkurrenz bedeutet, sondern eher größere Aufmerksamkeit, größere Resonanz und Synergieeffekte.

Und die eitlen Stadtväter?

Es ist durchaus bekannt, dass mitunter versucht wird, Kunst in Düsseldorf kulturpolitisch zu bevormunden. Dass sich die künstlerischen Leiter der Institute hier nicht gerne reinreden lassen, ist aber augenscheinlich. Im Übrigen hat es der Kunstverein als eine traditionsreiche bürgerliche Einrichtung mit einer langen Geschichte sehr viel einfacher als andere Häuser.

Wieso?

Die Anderen sind einfach darauf angewiesen, möglichst viele positive Besprechungen zu bekommen, um nicht von der Kulturpolitik zu hören: Was ihr macht, geht ja völlig am Publikum vorbei! Wenn mir die Mitglieder nicht scharenweise davonlaufen, habe ich dagegen freie Hand, muss nicht mit jeder Ausstellung ökonomische Ziele erfüllen. Der Kunstverein kann also sperrigere, kleinere Ausstellungen realisieren. Eine ideale Situation, wie die des berühmten kleinen gallischen Dorfes.

Haben Sie als Leiterin besondere persönliche Vorlieben?

In der Tat habe ich ein gewisses Faible für bewegte Bilder. Und für Gruppen. In meinen Ausstellungen aber wird es nicht so sehr darum gehen, ein bestimmtes Thema zu illustrieren, sondern eher um eine Bestandsaufnahme des aktuellen Geschehens. Welche Strategien benutzen die zeitgenössischen Künstler, um Wirklichkeit nicht bloß abzubilden, sondern zu befragen? So werden vermutlich verstärkt die Formate Film, Video, Fotografie gezeigt werden. Es sollen Ausstellungen werden, die auf der einen Seite eine inhaltliche Komponente haben, die man sich trotzdem aber auch anschauen kann. Ich werde zeitgenössische Kunst zeigen, aber eher die noch nicht ganz arrivierte, werde das Lokale vielleicht eher in anderen Formaten präsentieren.

Und Frauen?

Positionen von Künstlerinnen werden deutlich und selbstverständlich präsent sein. Ganz so kämpferisch und offen feministisch wie noch vor einiger Zeit geht es ja bei den jüngeren Künstlerinnen nicht mehr zu. Eine Quote gibt es bei mir also weniger programmatisch als eher untergründig und intuitiv.

Gibt es einen Fünf-Jahres-Plan?

Nein, eigentlich nicht. Ich bin hier ziemlich offen angekommen. Wir werden zum Beispiel eine Zeitschrift, ein Magazin für die Mitglieder machen, die soll zwei mal im Jahr erscheinen. Die hat den schönen Titel „Béton brut“. Mit dem Begleitprogramm möchte ich außerdem versuchen, die Mitglieder in die Diskussion um Kunst mehr einzubinden. Das ist mir wichtig.

Und in diesem Jahr?

Die große Palermo-Ausstellung Ende 2007 in Kooperation mit der Kunsthalle ist ein Thema, das wurde relativ früh schon an mich heran getragen. In diesem von mir so geschätzten Gebäude ein Werk zu zeigen, das letztlich so bekannt gar nicht ist und das hier fast wie eine zeitgenössische Position wirkt, ist äußerst reizvoll. Palermo wirkt fast wie Gegenwartskunst. Seine Ausstellung wird das ganze Haus bespielen. Er ist ein toller Künstler. Ich will mich aber natürlich nicht die nächsten fünf Jahre am Modernismus abarbeiten.

Was halten Sie von der neuen Kunstmesse in Düsseldorf?

Die im April parallel stattfindenden Messen in Düsseldorf und Köln sind eine komische und unnötige Konkurrenz. Der Kunstverein wird sich auf keiner der Messen darstellen und lieber ein kleines Programm einschieben, das den Kunstverein zur eigenen Bühne macht.

INTERVIEW: KATJA BEHRENS