Lustig, spektakulär, grundunsicher

CHAMPIONS LEAGUE Wie Bayerns Schülergruppe ein Spiel gegen Inter verliert, das sie gewinnen hätte müssen

MÜNCHEN taz | Am Anfang war das Wort. Dann wurde das Wort unverständlich. Das hat ein großer Italiener gesagt, Ennio Flaiano, der die Drehbücher für Fellini schrieb. Die Italiener sind vielleicht gerade in der Bunga-Bunga-Phase ihrer 150-jährigen Nationalstaatsgeschichte – aber blöd waren sie noch nie. Das Wort des Abends war: Bayern. Es war ein Spiel, das nicht verloren gehen durfte. Und es dann doch tat.

Dass im Achtelfinalrückspiel gegen Inter eine Menge Tore fallen würden, war klar – schon das Hinspiel war ein vogelwildes, hoch unterhaltsames Tempo-Haudrauf. Nehmen wir das Abseitstor von Samuel Eto’o in der 4. Minute aus der Analogie raus – dieses Tor wäre dank Eto’os Klasse und der Verschlafenheit der Bayern-Abwehr auch aus Nichtabseitsposition gefallen – dann galt trotzdem, dass Bayern Inter beherrschte und zwei schöne Tore machte (sollte nicht eigentlich Inter Manuel Neuer verpflichten?), dass Bayern mehr Tore als Inter machen hätte müssen.

In die Logik (Logos = Wort) passte, dass van Gaal ein Einsehen gehabt, vielleicht sogar eine Lehre aus der Finalniederlage gegen Inter gezogen hatte und statt Kroos Pranjic neben Schweinsteiger vor der Abwehr agieren ließ. Auch der portugiesische Schiedsrichter Pedro Proenca konnte mit zahlreichen Anti-Bayern-Entscheidungen, mit seiner Weigerung, die ständigen Fouls von Inter zu Beginn mit Gelb zu belegen anstatt am Schluss, den richtigen Ablauf des Geschehens nicht beeinflussen.

Unlogisch wurde die Sache dadurch, dass zwei der drei besten Bayernspieler (Robben war der dritte) jeder für sich wunderbare Dinge taten, aber sich weigerten, zusammenzuarbeiten. Ribréry und Gomez hätten die Sache in den ersten zwei Dritteln des Spiels zusammen eintüten müssen. Aber einmal gab der eine nicht ab und der andere warf frustriert die Arme in die Luft, und dann tat der andere es dem einen nach. Deswegen war das Spiel mit Sneijders Tor in der 63. Minute entschieden – und es war schrecklich, das mit ansehen zu müssen: Es kam über einen wie das 2:0 von Milito in Madrid im vergangenen Jahr. Bayern war tot, obwohl es sich noch eine halbe Stunde hätte entgegenstemmen können, eine halbe Stunde, in der Inter den Sack mit Goran Pandevs Tor (88.) zumachte.

Hatten wir also das Wort, hatten wir Gott missverstanden? War Inter die Mannschaft, die besser war? Trotz des albernen Gehampels ihres Trainers Leonardo? Trotz Materazzis Anfangs- und Schlussprovokationen gegen Schweinsteiger? Nicht ganz. Inter war eine Mannschaft, keineswegs eine überzeugende – Bayern eine lustige, spektakuläre, grundunsichere Schülergruppe. Van Gaal hat Leute wie Breno (schlimmes Spiel), Badstuber (unaufälig, aber okay), Kraft (schlimme Spieleröffnung), auch Schweinsteiger (okay, aber eben zu unauffällig) aufgebaut; aber er hat sie dabei psychisch ausgepresst. Das Spiel vom Dienstag war der endgültige Beweis, dass der Zyklus von van Gaal in München beendet ist. Van Gaal hat den Blick für Fähigkeiten, er hat den Mut, jungen Talenten Verantwortung zu geben – aber dann: niente. Er lässt sie im Regen stehen.

Man muss diesem Haufen von Spielern wünschen, dass sie im nächsten Jahr nicht in der Champions League spielen, auch um den Preis, dass der Verein Robben und/oder Ribéry verliert. Was Bayern braucht, ist ein Fundament. Van Gaal hat ein Kartenhaus gebaut. Die FC Bayern AG wird die finanziellen Verluste ebenso verschmerzen wie die Vereinsgaststätte des SC Freimann, in der man in sehr angenehmer Atmosphäre sich warmtrinken beziehungsweise sich abregen kann. Hier war von Gott die Rede. Und da es ja auch noch andere Ereignisse auf der Welt gibt – der japanischen Katastrophe wurde mit einer 20 Sekunden dauernden Schweigeminute gedacht – lautet die Lektion vom 15. März 2011: Demut. Auch für Inter: So einen erbarmungswürdigen, nervlich zerrütteten Gegner werden sie nicht noch mal bekommen. AMBROS WAIBEL