Die versteckte Stadt

Insidertipps für Buenos Aires: Schlemmen beim Anthropologen, Jam Sessions bei Pablo und im Antidomingo gegen die Sonntagsdepression. Ob elegant oder illegal, man muss wissen, wo man was findet. Wir verraten spannende Treffs

Von RODOLFO REICH

„Jede gute Geschichte bietet mindestens zwei mögliche Lesarten.“ Worte von Jorge Luis Borges, dem berühmten, aus Buenos Aires stammenden Schriftsteller. Dies gilt auch für seinen Heimatort, denn Buenos Aires hat zwei ganz unterschiedliche Gesichter. Einige Facetten der Metropole können Touristen in ihren Lonely Planets erkunden. Doch vieles bleibt ihnen verborgen: das versteckte Buenos Aires jenseits der Veranstaltungskalender und Reiseführertipps. Kneipen, Restaurants und Theater ohne Hinweise an den Türen, ohne Fenster zum Hineinsehen. Manche sind schick, elegant und nutzen die Anonymität für ihre Exklusivität. Andere kreisen zwischen Improvisation, Heimlichkeit und Illegalität. Ob elegant oder illegal, man muss wissen. wo sie sind, hinhören oder sich in Internetblogs kundig machen. Auch Taxifahrer sind gute Informationsquellen.

Tipo Casa

Tipo Casa ist ein Restaurant im Stadtteil Almagro. Der Eingang ist ein langer Flur. Es folgt ein kleiner Innenhof, von dem die Zimmer und die Küche abgehen. Gemietet haben den Ort Hernán, der gelernte Anthropologe, und Marcelo, der gelernte Koch. Fünfmal im Jahr wird die Speisekarte gewechselt. Sie bietet Essen und Getränke aus aller Welt: südamerikanischen Süßwein, japanisches Fischfilet und arabisches Rinderfilet. Ein weiterer Reiz: die gemütliche und freundschaftliche Stimmung, die Hernán und Marcelo verbreiten.

Bulnes 843, Fon 48 66-28 54 www.tipo-casa.com.ar

Casa SaltShaker

Dieses Restaurant bietet die Möglichkeit, in einem fremden Wohnzimmer zu essen. Die Idee dazu kommt von Dan Perlman, einem Amerikaner in Buenos Aires. Jeden Freitag stellt er ein Menü zusammen, das mit einem historischen Datum verbunden ist. Kurz vor Beginn der Französischen Revolution gibt es französische Küche. Hat der Buddha gerade Geburtstag, kommt das Menü aus Indien, China, Thailand und Vietnam. An zwei Tischen reicht der Platz für zwölf Personen. Dan Perlman ist Sommelier und lässt seine Gäste gerne ihren eigenen Wein mitbringen. Allerdings führt er sie auch mit seinen Empfehlungen durch das Menü.

Fon 15-61 32-41 46

Providencia

Ein alter Schuppen, mitten in Palermo Hollywood versteckt. Das ist Providencia. Ein rebellischer Ort mit einer klaren Botschaft: Neues ist noch möglich im Schickimickiviertel Palermo Hollywood. An der Tür steht: „Bitte laut anklopfen!“ Drinnen ist es heiß. Der Metallschutz lässt nur wenig Frischluft hinein. Die Küche ist einsehbar, die Speisen sind vegetarisch. Alles sieht behelfsmäßig aus: Tischdecken aus Papier, die Bedienung jenseits von professionell. Aber die Brote sind so köstlich wie alles auf der täglich wechselnden Speisekarte. Deshalb ist das Providencia bei Schauspielern, Musikern und jungen Leuten so angesagt. Zu trinken gibt es Limonade, Wasser und Wein.

Cabrera 5995, Fon 47 72-85 07

Casa Pedraza

Matratzen lehnen gegen Fenster und Türen, damit nicht zu viel Lärm nach außen dringt und die Nachbarn schon wieder die Polizei rufen. Denn das Beste am Casa Pedraza ist die Musik: Hier sind Jam Sessions angesagt. Freitags wird Freejazz improvisiert. Juan Pablo ist Ausgangspunkt des Ganzen. Der Besitzer geht mit seiner Gitarre auf die Bühne und spielt. Und plötzlich kommen weitere Hobbymusiker samt Instrument aus dem Publikum und spielen mit. So geht das Ganze bis tief in die Nacht weiter.

Pedraza 2630, Nuñez www.ccpedraza.com.ar

Puerta Uno

Eine Wahl mit viel Glamour, mitten in Chinatown von Buenos Aires. Von außen ist Puerta Uno nur eine unauffällige Tür. „Wir wollen kein Schaufenster, wir sind eine exklusive Bar“, sagt Pablo Resnik. Das Interieur besteht aus weißen Ledersofas, tiefen Tischen, Blumenduft und softer Hiphop-Musik, die eine entspannte Atmosphäre verbreiten. Dass Puerta Uno momentan ein ganz heißer Tipp ist, hat sich schon herumgesprochen. Samstagnachts überqueren bis zu 500 Leute die Türschwelle.

Juramento 1667, Belgrano

Ocho7Ocho

Die Bar liegt an der Grenze zwischen Palermo und Villa Crespo. Nach dem Klingeln öffnet sich die Tür zu einem New Yorker Loft, in dem ein Hauch von Prohibition des Chicago der Zwanzigerjahre steckt. Star des Raums ist der Tresen. Die Bar zieren hunderte von Flaschen. Mehr als zehn Tequilas, zwanzig Wodkasorten, jede Art von Whisky und über zehn Sorten Bier. Dazu alle klassischen Cocktails, Tapas und kleine Speisen. Julián Diáz, Besitzer und Barkeeper, hat bei den Besten des Landes das Cocktailmachen studiert. „Um diesen Ort kennen zu lernen, musst du ihn zuerst finden, das reizt die Gäste. Und das 878 hat seinen eigenen Charakter, darüber sprechen die Leute“, sagt er.

Thames 878, Villa Crespo

Antidomingo

Das Antidomingo bekämpft seit vier Jahren erfolgreich die Sonntagsdepression. Die Bar entstand zufällig während einer Kunstausstellung, zu der sonntags nie jemand auftauchte. „Wir haben ein kleines Konzert veranstaltet. Die Leute kamen, und so machten wir weiter“, erzählt Daniel. Im Jahr 2005 musste erweitert werden, und auch die Küche wurde vergrößert. Jeden Sonntag kommen gut 200 Leute, auch donnerstags ist jetzt geöffnet. Die Ästhetik ist einfach und häuslich, ähnlich wie die Getränke. Die Küche ist traditionell: Empanada, Pizza und Kuchen. Aus den Lautsprechern klingt Reggaemusik.

Pinto 4860, Saavedra www.antidomingo.com.ar

Timbre 4

Das Viertel heißt Boedo. Die Straßen sind dunkel und ruhig. Man muss gut hinsehen, um die Klingel zu finden. Das Timbre 4 ist ein kleines Theater, in das man leise eintreten muss, da die Nachbarn meist schon schlafen. Der Öffentlichkeit ist diese Location noch unbekannt. Bei Insidern ist sie allerdings heiß begehrt. Besitzer ist der junge Schriftsteller und Regisseur Claudio Tolcachir. 2006 gewann sein Stück „La omisión de la familia Coleman“ den Preis als bestes Off-Theaterstück des Jahres. Heute gibt es vier Vorstellungen pro Woche. Es empfiehlt sich, einen Monat im Voraus die Karten zu bestellen.

Timbre 4, Boedo 640, Fon 49 32-43 95, www.timbre4.com