Die schicken Pullover der Migranten

Die italienischen Einwanderer brachten Strickmaschinen und die Kunst des Strickens nach Argentinien

Mar del Plata ist die offizielle argentinische Hauptstadt des Pullovers. 1948 bis 1950 kamen viele Immigranten aus Süditalien. Ab 1951 durften sich Immigranten aus Italien nur außerhalb eines Radius von 100 Meilen von der Hauptstadt Buenos Aires niederlassen. Und dort liegt Mar del Plata. „Aber die kamen nicht zum Pulloverstricken“, weiß Juan Carlos Taranto. „Sie suchten im Hafen Arbeit als Fischer.“

Juan Carlos Taranto zeigt einer Besuchergruppe seinen Betrieb. Bis unter die Decken hängen hier die Pullover in allen Farben. Taranto kam 1956 nach Mar del Plata. Er ist Teil der über 50-jährigen Geschichte der Textilindustrie des Ortes. Drei Familien brachten damals eine Maschine für den Handbetrieb mit. 1956 gab es bereits 15 Fabriken. Die Textilbranche wuchs bis zu Beginn der 1990er-Jahre zum drittwichtigsten Arbeitgeber der Stadt heran. Bis Anfang der 1990er-Jahre standen die Leute Schlange vor den Geschäften, um einen Pullover zu kaufen.

Dann begann die Krise. Argentinien öffnete die Grenzen für die Billigimporte, der Textilschmuggel erreichte ungeahnte Ausmaße. Sechs bis sieben Millionen Pullover drängten pro Jahr ins Land, besonders aus China. Einwanderer aus Korea kamen nach Argentinien und stiegen in die Textilbranche ein. Die Koreaner in der Hauptstadt arbeiten fast ausschließlich mit Kunstfaser und machen riesige Mengen. Alles grün und billig,“ lächelt Taranto. Sie machten den Kindern der italienischen Immigranten in Mar del Plata Konkurrenz.

Die setzen nun auf hochwertige Schafs- und Angorawolle. Den größten Know-how-Vorsprung hat Mar del Plata im Design. Auch bei Taranto ist ein Mitarbeiter nur damit beschäftigt, den Computer der Nähmaschine mit neuem Design zu programmieren. JÜRGEN VOGT