Stimmen aus Japan

Kaori Hayashi, 47, Professorin an der Tokio-Universität: „Am Freitag habe ich in der Uni übernachten müssen, dort ist aber nur wenig kaputtgegangen. An unserem eigenen Haus gab es auch keine größeren Schäden. Doch ich fühle mich schrecklich, denn man weiß ja nicht, was noch kommt. Die Regierung gibt uns nicht genügend Informationen, vor allem im Hinblick auf die Atomkraftwerke traue ich den Infos nicht. Die Unsicherheit macht mich fertig. Meine Tochter Saya habe ich zu meinen Eltern nach Nagoya geschickt, das ist 400 Kilometer südlich von Tokio. Heute haben wir im Supermarkt 30 Liter Mineralwasser gekauft. Das reicht zwar nicht lange, aber immerhin haben wir etwas.“

Hilja Müller, 46, Journalistin, Tokio: „Ich finde erstaunlich, wie gering in Tokio die Zerstörungen sind. Ich habe mir nie vorstellen können, dass Hochhäuser so schwanken können, ohne dass wenigstens ein Fenster rausfällt. Beeindruckend ist die Art der Japaner, mit der Katastrophe umzugehen. Es gibt keine Panik, die Menschen funktionieren, wie man es von Japanern erwartet. Dabei gibt es schon Hamsterkäufe, aber ansonsten hängen die Menschen am Handy, am Fernseher oder im Internet, um sich zu informieren. Die Absetzbewegung der Einheimischen aus Tokio ist gering, aber von unseren deutschen Freunden sind viele weggegangen. Wir haben Kerzen gekauft, alle Töpfe voll Wasser gefüllt. Ansonsten versuchen wir, den Kindern die Extremsituation erträglich zu machen. Aber permanent bohrt der Gedanke: Soll ich gehen oder bleiben?“

Nathan Quimpo, 58, Dozent, Universität Tsukuba, 60 Kilometer nördlich von Tokio: „Genau in diesem Moment gibt es wieder ein Nachbeben. Die letzten Tage waren sehr gemischt. Zum einen sind die Menschen recht ruhig. Aber ich frage mich, ob sie überhaupt realisieren, wie drängend das Problem der Kernschmelze ist. Ich kenne Ausländer, die haben Japan wegen der nuklearen Bedrohung schon verlassen, aber die Japaner haben keine große Wahl. Hier in Tsukuba gibt es ja wenigstens keine Tsunamis, aber die vielen Nachbeben sind anstrengend. Die erste Nacht konnte ich kaum schlafen, ich war sehr nervös. Jetzt sorgen wir nur noch dafür, dass uns beim Schlafen nichts auf den Kopf fallen kann. Wachen wir wieder von Nachbeben auf, rennen wir nicht mehr jedes Mal raus, sondern versuchen weiterzuschlafen. Wir gewöhnen uns dran. Ich kenne Beben aus den Philippinen, aber nicht so starke wie hier. In den Läden gibt es jetzt fast nichts mehr zu kaufen. Meine Frau ruft, es kommt gerade Wasser aus dem Hahn, das erste seit zwei Tagen.“ AUFGEZEICHNET VON SVEN HANSEN