Inflationsrate überspringt Zwei-Prozent-Hürde

PREISE Statistisches Bundesamt korrigiert Preissteigerungsrate. Droht eine Inflationsspirale?

Mit der Inflation ließe sich die Schuldenkrise der Eurostaaten in den Griff bekommen

BERLIN taz | Im Februar lagen die Verbraucherpreise im Schnitt 2,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Das gab das Statistische Bundesamt gestern bekannt, das damit die Inflationsrate von zuvor 2 Prozent nach oben korrigierte. Diese erreicht nun den höchsten Stand seit zweieinhalb Jahren. 2 Prozent werden von der Europäischen Zentralbank (EZB) noch als akzeptabel eingestuft. Bei darüber liegenden Werten gehen jedoch die Warnlichter an.

Schuld an der Entwicklung ist vor allem das teure Öl: Heizöl verteuerte sich um 32 Prozent, Diesel um 20,4 Prozent und selbst Strom noch um 7,5 Prozent. Aber auch die Preise für Lebensmittel stiegen zum Teil kräftig, vor allem Butter (plus 16,1 Prozent), Obst (plus 14,7 Prozent) und Kaffee (plus 9 Prozent). Nur die Preise von Fleisch und Süßwaren bleiben etwa gleich.

Die Angst vor einer möglichen Deflation, die sich nach Ausbruch der Finanzkrise breitgemacht hatte, beginnt langsam der Angst vor einer Inflationsspirale Platz zu machen. Vorgestern hatte das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) für das laufende Jahr eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,5 Prozent prognostiziert und von 2,4 Prozent für 2012. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, sagte dem Tagesspiegel sogar: „In den nächsten zwei bis vier Jahren müssen wir uns auf eine Inflationsrate von bis zu 4 Prozent einstellen.“ Es gibt einige Indizien, die dafür sprechen.

Nicht nur Erdöl wird unter anderem infolge der Unruhen in Libyen immer teurer. Auch bei anderen Rohstoffen sind zum Teil kräftige Preissteigerungen zu beobachten, von Metallen bis Futtermitteln.

Die Erzeugerpreise, also das, was die Einkäufer der Industrieunternehmen zahlen, sind deshalb bereits im Januar mit einer Jahresrate von 5,7 Prozent gestiegen. Neuere Angaben liegen nicht vor. Es ist zu erwarten, dass die Hersteller die höheren Kosten zumindest zum Teil an die Verbraucher weitergeben. Im Großhandel lagen die Preise im Februar schon um satte 10,8 Prozent höher als ein Jahr zuvor.

Nicht nur die Entwicklung auf den Weltmärkten gibt zu Sorgen Anlass. Es gibt auch einen politische Grund dafür, dass es bald zu höheren Inflationsraten kommen könnte. Denn mit einer Geldentwertung ginge auch eine Entwertung der Schulden einher. Das wäre zwar eine riskante, aber wirkungsvolle Art, die Schuldenkrise zahlreicher Eurostaaten in den Griff zu bekommen.

Bislang stellt sich die EZB solchen Gedankenspielen entgegen. Sie hat sich noch immer für einen strammen Anti-Inflations-Kurs entschieden. Erst kürzlich wurde ihr Präsident Jean-Claude Trichet ungewohnt deutlich: Schon im April könnte die EZB die Leitzinsen hochsetzen – obwohl höhere Zinsen nicht nur den Preisauftrieb, sondern auch die Konjunktur dämpfen. Doch wenn sich die Regierungen der Eurozone weiter nicht auf langfristige Hilfsmaßnahmen für die Schuldnerländer einigen, fallen vielleicht auch der EZB irgendwann keine Alternativen mehr ein, um die Währungsunion zu retten. NICOLA LIEBERT