berliner szenen Selbstmanager unter sich

Kannste abhaken

Der Workshop über Zeitmanagement hat mich außer meiner wertvollen Zeit nix gekostet. Vielleicht bin ich deswegen dort gelandet: Die Zeitmanagementberaterin erklärt uns als Erstes, dass wir im Grunde genommen alle zurückwollen in die zeitlose Glückseligkeit, als die Zeit nämlich noch im Kreise verlief und es weder Vergangenheit noch Zukunft gab. Aber Galileo Galilei habe es anders gewollt und entdeckte die immer gleiche Schwingungsfrequenz des Pendels, dazu erfand er auch die moderne Taktung des Lebens in Form der Pendeluhr. Dass wir heute nicht mehr im Pendeltakt schwingen, sondern uns unseren Lebensrhythmus vom Cäsiumatom vorschreiben lassen, ist dabei nur eine Nebensächlichkeit.

Zwanzig erwachsene Menschen stimmen stumm überein, dass wir nicht hinter Galileo Galilei zurückkönnen und daher die einzige Möglichkeit, uns dem Diktat der Taktung zu entziehen, die selbstbestimmte Taktung ist. Also Tagespläne, Alpenmethoden, Eisenhower-Fenster und was die moderne Disziplin des Selbstmanagements noch so alles zu bieten hat. Und ich stelle fest, dass mindestens die Hälfte der Anwesenden als liebstes Hobby für sich Listen schreiben und Häkchen machen. Der Trick dabei: die Tätigkeiten möglichst detailliert aufführen, um sich am Ende des Tages mit vielen Häkchen zu belohnen. Würde ich jeden Morgen eine Liste schreiben, müsste ich wohl darauf ganz oben aufführen: Liste in dem Papierberg neben meinem Computer suchen, um erledigte Dinge abzuhaken. Jeweils fünf Minuten. Bei zwölf Punkten bräuchte ich also schon eine ganze Stunde am Tag. Häkchen bereiten mir keine Freude. Gegen die zeitlose Glückseligkeit hätte ich hingegen nichts einzuwenden.

JUTTA BLUME