Zwei Seiten einer Medaille

Sowohl die Biobranche als auch der faire Handel verzeichnen seit Jahren Zuwächse im zweistelligen Bereich. Auch wenn viele Produkte bereits „fair“ und „bio“ vereinen, setzen die Händler nach wie vor unterschiedliche Schwerpunkte

VON JUTTA BLUME

67 Prozent aller unter dem Transfair-Siegel gehandelten Produkte sind auch bio, bei Bananen und Wein sogar 100 Prozent. Umgekehrt wird man dazu, wie viele Bioprodukte auch aus fairem Handel stammen, kaum Zahlen finden. Anders als beim gesetzlich definierten Bio-Siegel gibt es für die soziale Fairness keine einheitlichen Kriterien. Längst nicht alle Händler, die soziale Aspekte bei der Auswahl ihrer Zulieferer berücksichtigen, lassen sich in Deutschland vom Transfair e. V. oder international von den Fairtrade Labelling Organizations (FLO) zertifizieren. Manche Bioanbieter haben sogar ein eigenes Fairnesssiegel, mit dem sie den Verbrauchern die Einhaltung sozialer Standards und gerechter Preise im Herkunftsland garantieren. Andere achten zwar auch auf Soziales, heben dies jedoch dem Konsumenten gegenüber nicht extra hervor.

Der Dachverband Transfair e. V. hat Kriterien für den fairen Handel mit elf Produktgruppen erarbeitet, darunter Kaffee, Tee, Süßwaren, Orangensaft und Bananen. Neu im Angebot sind Reis, Wein und Schnittblumen. Die Richtlinien sind je nach Produkt unterschiedlich. Während Kaffee, Tee und Kakao von unabhängigen Genossenschaften und Kleinbauern bezogen werden, stammen Orangen auch von Plantagen, die saisonal Pflücker beschäftigen – mit garantierten Mindestlöhnen, versteht sich. In der Regel gelten bei Transfair auch Mindestkriterien im Hinblick auf die ökologische Nachhaltigkeit. Dazu zählen unter anderem der reduzierte Einsatz von Pestiziden und Erosionsschutzmaßnahmen.

„Der faire Handel setzt zuerst konventionell an, weil viele Produzenten noch nicht in der Lage sind, sich für das Bio-Siegel zertifizieren zu lassen“, erklärt Claudia Brück, Pressesprecherin von Transfair e. V. Allerdings zeigen die Erfahrungen, dass viele Landwirte die Prämien der Fairhandelsorganisation für die Umstellung auf den Bioanbau nutzen. Das komme letztendlich auch dem Interesse der Käufer entgegen. „Die meisten, die bewusst einkaufen, möchten gerne ein ganzheitliches Konzept. Die Zuwächse im fairen Handel in den letzten Jahren gehen klar auf das Konto von Bio“, so Brück. Im Jahr 2005 verzeichnete Transfair einen Handelszuwachs von 25 Prozent.

Die Gründe der Biofirmen, die eigenen Produkte nicht unter dem Transfair-Label zu vermarkten, sind vielfältig. Für das Siegel wird je nach Produktgruppe eine Lizenzgebühr erhoben. Dafür bekommen die Lizenznehmer das Marketing durch den Transfair e. V. „Es gibt Anbieter, die sich explizit gegen den Transfair e. V. aussprechen, da sie meinen, damit würde nur die Bürokratie alimentiert“, sagt Kai Kreuzer, Berater der Biofach. Einige Bioanbieter haben ihre eigenen Regeln des fairen Handels aufgestellt, etwa Rapunzel, Lebensbaum und die Mensch und Natur AG.

Die Firma Rapunzel hat das hauseigene Hand-in-Hand-Zeichen entworfen. Garantiert werden damit langfristige Handelsbeziehungen zu den Herstellern und die Abnahme der Erzeugnisse zu Preisen über dem Weltmarktniveau. Außerdem werden über den Hand-in-Hand-Fonds gemeinnützige Projekte in den Herstellerländern finanziert. Im Angebot sind beispielsweise Cashewnüsse aus Indien, Quinoa und Paranüsse aus Bolivien und Kokos aus Sri Lanka.

Der Kaffee- und Teehandel Mensch und Natur AG zeichnet die Produkte, die einem bestimmten sozialen Standard entsprechen, mit einem Fairkauf- Zeichen aus. Auch hier werden Abnahmepreise über dem Weltmarktniveau und ein Einkauf möglichst direkt beim Erzeuger gewährleistet. Besonders sollen damit kleinbäuerliche Familien unterstützt werden. Mit einem Preisaufschlag von 1,5 bis 3,5 Prozent werden außerdem soziale Vorhaben in den Gemeinden mitfinanziert, etwa der Bau von Schulen, Krankenstationen oder Solaranlagen.

Durch den zunehmenden Verkauf von Biolebensmitteln und Produkten aus fairem Handel in großen Supermärkten geraten in letzter Zeit auch die sozialen Standards bei der hiesigen Vermarktung in den Blickpunkt. Die größten Zuwächse beider Sparten werden seit Jahren nicht mehr in Fachgeschäften, sondern in Supermärkten verzeichnet. Dadurch stehen bäuerliche Direktvermarktung und kleinere Naturkostläden unter dem Druck der Discounter.

Der Transfair e. V. ist vor allem durch den Verkauf seiner Produkte bei Lidl in die Kritik geraten. „Wir könnten es nicht leisten, Arbeitsbedingungen hier im Supermarkt zu kontrollieren. Dafür gibt es Gewerkschaften“, sagt Melanie Leucht von Transfair.

Allerdings hat der Verein inzwischen eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich auch mit den Veränderungen der Arbeitsbedingungen in Deutschland beschäftigt. Ergebnisse stehen noch aus.