Garnisonkirche spaltet Potsdam

BÜRGERENTSCHEID VERHINDERT

Die Chance, über ein umstrittenes Projekt zur Gestaltung ihrer Stadtmitte abzustimmen, haben die Stadtverordneten den Bürgern vorenthalten

Ein Stadtparlament nimmt ein Bürgerbegehren an. Ein Erfolg direkter Demokratie? Im Fall des Bürgerbegehrens gegen den Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg beschädigten und 1968 endgültig gesprengten Potsdamer Garnisonkirche ist das nicht so einfach. In der brandenburgischen Landeshauptstadt hatte das Stadtparlament am Mittwoch dem Bürgerbegehren überraschend zugestimmt – allerdings bei kompletter Enthaltung der regierenden Parteien wie SPD, CDU und Grünen. Ein Bürgerentscheid ist damit verhindert.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens fühlen sich durch das taktische Abstimmungsverhalten nun um ihre Chance auf ein Votum der Bevölkerung betrogen, das möglicherweise parallel zur Landtagswahl im September hätte stattfinden können. Sie werden das Projekt weiter infrage stellen. Die Linke fordert nun eine Bürgerbefragung.

Auch wenn bei einem Bürgerentscheid der Inhalt derselbe gewesen wäre und seine Umsetzung aus rechtlichen Gründen schwierig, wäre so ein Plebiszit das politisch viel stärkere Signal gewesen. Die Chance, über ein umstrittenes Projekt zur Gestaltung ihrer Stadtmitte abzustimmen, haben die Stadtverordneten den Bürgern vorenthalten. Mutig ist das nicht gerade.

Dass bei einem Plebiszit vielleicht keine Mehrheit für die Garnisonkirche zustande kommen würde, mögen die Freunde des Wiederaufbaus angesichts von mehr als 14.000 gültigen Unterschriften, die in nur dreieinhalb Monaten in einer Stadt mit 160.000 Einwohnern gesammelt worden waren, geahnt haben. Andererseits wäre ein Bürgerentscheid auch für sie eine Chance gewesen, um die Zustimmung der Potsdamer zu ihrem Projekt zu werben. Insofern haben auch sie verloren.

Nun muss Oberbürgermeister Jann Jakobs gegen seine Überzeugung den Austritt der Stadt aus der Kirchenbaustiftung vorantreiben – und das vermutlich erfolglos. Das wird die Fronten in diesem Konflikt weiter verhärten. Der Wiederaufbau sollte auch ein Zeichen der Versöhnung sein. Bisher ist das Gegenteil der Fall. MARCO ZSCHIECK