Kriterien: erfüllt

Von Christian Rath

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart kommt nicht überraschend. Schon nach der nichtöffentlichen Verhandlung im Januar zeichnete sich ab, dass die Kammer die baldige Entlassung von Mohnhaupt anordnen wird. Die gestrige Anhörung im Stuttgarter Gerichtsgebäude dauerte denn auch nur knapp zwei Stunden.

Mit Gnade oder Vergebung hat all das nichts zu tun. Denn Brigitte Mohnhaupt hat anders als Christian Klar keinen Antrag auf Begnadigung gestellt. Auch Bundespräsident Horst Köhler war mit ihrem Verfahren nicht befasst. Vielmehr hatte die Exterroristin einen Rechtsanspruch auf vorzeitige Entlassung – wenn die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.

Beim erste Kriterium war die Sachlage ganz klar. Die Mindesthaftzeit von 24 Jahren ist Ende März abgesessen. Das OLG hatte diese Mindestverbüßungsfrist im März 2006 festgelegt, als Mohnhaupt erstmals einen Antrag auf Entlassung zur Bewährung stellte. Beugehaft und Disziplinarstrafen wurden nicht auf diese Mindesthaftzeit angerechnet, ebenso wenig die erste Inhaftierung von Mohnhaupt, die von 1972 bis 1977 währte. Insgesamt saß die 57-jährige Exterroristin damit sogar fast 30 Jahre ihres Lebens im Gefängnis.

Auch „Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit“, das zweite Kriterium, standen der Entlassung nicht entgegen. Ein Gutachten des renommierten Psychiaters Norbert Leygraf aus Essen stellte fest, dass von Mohnhaupt keine Rückfallgefahr droht. Ähnlich lautete die Stellungnahme der Frauen-Justizvollzugsanstalt im bayerischen Aichach, wo Mohnhaupt seit Jahren einsitzt. Selbst Walter Hemberger, der Vertreter der Bundesanwaltschaft, schloss sich am Ende dem Antrag Mohnhaupts auf Freilassung an. Spätestens da war klar, dass die Entlassung von Mohnhaupt unweigerlich kommen wird.

Auf Reue oder die Bitte um Entschuldigung gegenüber den Opfern kommt es bei diesem Verfahren nicht an. Sie sind keine Voraussetzung für die Strafaussetzung zur Bewährung. Dennoch finden sich, Agenturmeldungen zufolge, in dem Gerichtsbeschluss auch Ausführungen Mohnhaupts, in denen sie sich zwar nicht von ihren Taten distanziert, aber zeigt, dass sie sich ernsthaft mit ihnen auseinandersetzt.

Sie sei sich bewusst, so der Beschluss, dass ihre Taten für die Angehörigen der Opfer eine schwere traumatische Erfahrung waren und immer bleiben werden. Sie werde dafür „die Verantwortung tragen müssen, ein Leben lang, die Zeit ändere daran nichts“. Auf die Angehörigen will sie nicht direkt zugehen, weil dies für die Betroffenen wohl nicht zumutbar wäre. „Bloße Worte des Bedauerns oder des Entschuldigens seien nicht angemessen und unzulänglich“, zitiert das OLG.

Für Mohnhaupt beginnt Ende März eine fünfjährige Bewährungsfrist. Wenn sie wieder Straftaten begeht, wird die lebenslängliche Haft fortgesetzt. Ein Bewährungshelfer wird sie betreuen. Wohnsitz und Arbeitsstelle muss sie regelmäßig der Polizei melden.