Rückkehr der Routiniers

Handball-Bundestrainer Heiner Brand beruft zwei Prominente in den vorläufigen Weltmeisterschaftskader, Altvordere, die man dort nicht mehr erwartet hätte

BERLIN taz ■ Handball-Bundestrainer Heiner Brand hat eine Generationendebatte ausgelöst. Wie das geht? Ganz einfach: Man beruft zwei Altvordere in den vorläufigen Kader der Handball-Weltmeisterschaft (19. Januar bis 4. Februar in Deutschland): Stefan Kretzschmar (33) und Christian Schwarzer (37). Brand nominierte das schlachterprobte Duo am Sonntag nach der 24:30-Niederlage im Freundschaftsspiel gegen Schweden. Die Überraschung war perfekt.

Beide gehören zweifellos zum Besten, was der deutsche Handball je hervorgebracht hat. Ihr spielerisches Können steht außer Frage. Das haben sie auch in der laufenden Saison durch ihre Leistungen für in ihre Klubs bewiesen. Dennoch gibt es ein Problem: Beide beendeten ihre Nationalmannschaftskarriere nach dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Athen im August 2004.

„Ich habe mit beiden gesprochen und sie sind grundsätzlich auch bereit dazu“, sagte der Bundestrainer zur Nominierung und fügte hinzu: „Junge Spieler haben noch zu oft Formschwankungen.“ Ist die Entscheidung für Kretzschmar (218 Länderspiele) und Schwarzer (301) also eine Absage an junge Talente, eine Abkehr vom Verjüngungskurs in der Nationalmannschaft? Mitnichten. Denn die erfahrenen Handballer würden wohl eh nur in den endgültigen 16-köpfigen WM-Kader rutschen, wenn weitere Stammkräfte ausfallen.

Jede der sieben Positionen hat Brand vorsorglich vierfach besetzt. „Bei einem 28er-Kader muss ich so nominieren, dass für alle Eventualitäten vorgesorgt ist“, so der Weltmeister von 1978. Selbst für den Fall der Fälle bekämen Kretzschmar und Schwarzer wohl nur wenig Zeit auf dem Parkett. Nichtsdestotrotz könnten die Routiniers der zuletzt instabil wirkenden Mannschaft Halt geben. Brands Kalkül: Allein die Präsenz der beiden international renommierten Spieler soll den Jüngeren helfen. Und: Kretzschmar und Schwarzer würden bei der Heim-WM im Fokus der Öffentlichkeit stehen und so ein wenig Druck von der Mannschaft nehmen, was auf das eher unerfahrene Team befreiend wirken könnte.

Brands Strategie ist also durchaus sinnvoll. Knapp zwei Monate vor Beginn des Turniers muss der 54-Jährige häufiger medizinische Fragen beantworten als sportliche. Die Liste der verletzten Spieler ist lang und hat sich durch den Mittelhandbruch von Florian Kehrmann um einen prominenten Namen verlängert. Der Einsatz des Handballers des Jahres beim Championat ist mehr als fraglich. Bereits im September hatte sich Abwehrspezialist und Leistungsträger Frank von Behren einen Kreuzbandriss zugezogen.

Das Verletzungspech zieht sich seit beinahe fünf Jahren wie ein roter Faden durch sämtliche Turniere der Deutschen. Sollte er nicht abreißen, wären Schwarzer und Kretzschmar, die Alten, nicht die schlechtesten Alternativen. LARS GEIGES