Neue soziale Stadtpolitik

PRO: Für Kommunen ist es unverzichtbar, Wohnungen zu verkaufen, damit sie in Bildung und Infrastruktur investieren können. Mietern muss es erleichtert werden, sie zu kaufen

Die Freiburger Bürger haben mehrheitlich gegen den Verkauf der städtischen Wohnungsgesellschaft Stadtbau entschieden. Anlass zum Jubel besteht aber nicht. Denn die nun eigentlich notwendige weitere Schuldenaufnahme ist weder sinnvoll, noch wird sie von der Landesregierung genehmigt. Auf Stadt und Bürger kommen schmerzliche Sanierungsmaßnahmen zu. Stabile Mieten, notwendige Bestandsverbesserungen und sanierte Schulen kosten eben Geld – das jetzt fehlt.

Was für Freiburg gilt, gilt für die Mehrheit der Kommunen. Hohe Schulden engen die finanziellen Spielräume ein. Die Folgen sind überall zu besichtigen. Investitionen in die öffentliche Infrastruktur bleiben aus, freiwillige Leistungen werden auf ein Minimum reduziert.

Der Bund ist dafür verantwortlich, Rahmenbedingungen für auskömmliche Steuereinnahmen zu schaffen. Die Kommunen wiederum müssen sich stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und effizienter arbeiten. So können sie finanzielle Handlungsspielräume wiedergewinnen und gleichzeitig Steuerungskompetenzen für eine soziale und nachhaltige Stadtpolitik behalten.

Der soziale Wohnungsbau der Nachkriegszeit diente vor allem der Bereitstellung von Wohnraum für die breiten Schichten der Bevölkerung. Heute ist der Wohnungsmarkt weitgehend ausgeglichen. Daher steht jetzt das Ziel im Vordergrund, gezielt Wohnungslosigkeit zu bekämpfen und innovative Stadtentwicklungsprojekte auf den Weg zu bringen. Auch Freiburg hatte dazu eine „strategische Reserve“ von 1.000 Wohnungen geplant.

Es braucht kleinteilige, über das gesamte Stadtgebiet verteilte Wohnungsbestände und Belegungsbindungen. Weder der Komplettverkauf nach Dresdener Vorbild noch das kategorische Nein der Freiburger Bürgerinnen und Bürger bietet eine befriedigende Antwort auf die finanziellen und sozialen Herausforderungen für die Städte.

Teilverkäufe, die sich in ihrem Umfang an den sozialen Bedingungen auf den Wohnungsmärkten vor Ort orientieren, bedeuten eine sinnvolle Option für verschuldete Kommunen, Handlungsfähigkeit wiederzugewinnen. Dabei lautet die entscheidende Frage: Verkauf an wen? Bleibt nur der private Finanzinvestor, oder kommen als Erwerber nicht in erster Linie diejenigen in Betracht, die die Wohnung bereits bewohnen: die Mieterinnen und Mieter. Mehr Wohneigentum in der Stadt wirkt identitätsstiftend und führt letztlich zu mehr Verantwortung für das Haus, das Wohnumfeld und letztlich für die Stadt. Auch die Kommunen könnten davon profitieren. Geht man von den Durchschnittspreisen für die einzelnen Wohnungen in den großen Paketverkäufen in der letzten Zeit aus, so wäre in vielen Fällen eine Mieterprivatisierung sowohl für die Kommunen als auch für die Mieter wirtschaftlich und wohnungspolitisch sinnvoller gewesen als die Verkäufe an anonyme Kapitalgesellschaften. Allerdings mangelt es in der Praxis an rechtlich handhabbaren Erwerbsmodellen, insbesondere für Erwerber mit kleinem Geldbeutel.

Die Kommunen benötigen zusätzliche Alternativen zum Komplettverkauf an anonyme Kapitalgesellschaften. Dazu sollten die steuerpolitischen Rahmenbedingungen für die Gründung von Wohnungsgenossenschaften verbessert werden. Außerdem braucht es eine neue, einfache und steuerbegünstigte Rechtsform, die Mietern den Kauf ihrer Häuser erleichtert.

Sie muss drei Dinge leisten: Erstens müssen die bisherigen Mieterinnen und Mieter zu Akteuren des Privatisierungsprozesses werden; zweitens müssen die Steuerungspotenziale der Kommune für eine soziale Stadtpolitik erhalten bleiben; drittens muss ausreichend privates Kapital akquiriert werden, um die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommune zu erhöhen. Das bedingungslose Festhalten am Status quo kommunaler Wohnraumbewirtschaftung ist aber nicht länger Ausweis einer solidarischen und sozialen Stadtpolitik. KERSTIN ANDREAE