Putins Milliardenproblem

REAKTIONEN Das Urteil in Den Haag trifft den russischen Präsidenten in schwierigen Zeiten. Zahlen werden die Zeche einfache Bürger

MOSKAU/BERLIN taz | Das Yukos-Urteil des Haager Schiedsgerichts ist ein schwerer Schlag für Präsident Wladimir Putin und die Hardliner aus den Sicherheitsapparaten Russlands. Die Wirtschaft durchlebt ohnehin schwierige Zeiten. Rüstungs- und Infrastrukturausgaben auf der Krim und ständig steigende Zahlungen für sozial Schwächere müssen im Interesse der Ruhe im Innern aufgebracht werden.

Nun stehen Russlands Machthaber und der Kremlherr ausgerechnet bei ihren ärgsten Feinden in der Schuld – den ehemaligen Eigentümern des Yukos-Konzerns, die sich Anfang der 2000er anschickten, Putin politisch herauszufordern.

50 Milliarden Dollar Schulden begleicht der Kreml inzwischen nicht mehr aus der Portokasse. Zahlt er nicht, dürften die Yukos-Aktionäre in diversen Ländern Verfahren gegen Rosneft anstrengen, um ihr Geld zu erhalten. Der staatliche Ölgigant hatte sich die Yukos-Aktiva einverleibt. Sollte er belangt werden und nicht zahlen, müsste das Rückgrat der russischen Wirtschaft vor Gerichtsvollziehern in aller Welt auf der Hut sein.

„Ich freue mich sehr, zweifle allerdings, dass Russland dem Gerichtsurteil nachkommt und die Gelder auch übergibt“, meinte die frühere Rechtsreferentin des Yukos-Konzerns, Olga Neschelskaja. Ex-Yukos-Mitarbeiter Denis Seljutin vermutet unterdessen, dass die für diesen Prozess Verantwortlichen von den Machthabern „aufs härteste bestraft werden“. Auch ein früherer Mitarbeiter der Finanzabteilung, Wladimir Perewersin, meldet sich im sozialen Netz: „Das ist wirklich eine gute Nachricht! Nur schade, dass am Ende die einfachen Bürger für alles bezahlen müssen“. Weder die Ermittler, die sich die Yukos-Anklage aus den Fingern gesaugt hätten, noch die Richter würden zur Verantwortung gezogen. Perewersin hatte eine längere Haftstrafe absitzen müssen.

Die Bevölkerung wird den Ausgang des Prozesses kaum zur Kenntnis nehmen. Ihr war versprochen worden, dass ihr die Einnahmen aus der Yukos-Enteignung zugutekämen. Doch die versprochenen Investitionen ins Wohnungswesen blieben aus.

Die ehemalige deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), lange Beobachterin der Yukos-Prozesse, forderte Russland auf, ehemalige Yukos-Mitarbeiter keinen weiteren Repressionen auszusetzen. „Putin und die russische Verwaltung sollten diese Entscheidung jetzt respektieren und akzeptieren“, sagte sie. KHD, IA

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