Kritik der Anfänge

KRITIK DES GESCHLECHTERVERHÄLTNISSES Nicht bloß eine Zutat: Ein Vortrag befragt das Verhältnis von bürgerlichem Subjekt und Geschlecht seit den Anfängen der bürgerlichen Gesellschaft

Aufklärung hat die Welt entzaubert, alles Stehende verdampfen lassen und die unmittelbar persönliche Herrschaft in eine der Verhältnisse verwandelt. Herrschen soll allein das unpersönliche Gesetz, nicht Willkür, Geist, Stärke. Indes scheint weder der Vernunftglaube, der den mythologischen Aberglaube substituiert, noch das gegen gottgegebene Rechte in Stellung gebrachte Naturrecht oder das gesetzliche Diskriminierungsverbot das Geschlechterverhältnis ins Wanken gebracht zu haben.

Wer vom Geschlechterverhältnis nicht reden will, so lässt sich Karina Koreckys These zusammenfassen, deren Vortrag eine Reihe gesellschaftskritischer Einführungsveranstaltungen eröffnet, sollte auch von der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Genese schweigen – und vice versa. Demnach ist der Zusammenhang von Gesellschaft und Weiblichkeit nicht in seien es Strukturkategorien, seien es Diskurse aufzulösen, die sodann nur äußerlich aufeinander bezogen werden. Der Vortrag dagegen betrachtet Gesellschaft als Totalität: nicht ist das Geschlechterverhältnis als wie auch immer geartete Zutat zu denken; die bürgerliche Gesellschaft hat es allererst in die Welt gesetzt.

Von Rousseau, einem jener Aufklärer, der nach Hegel die geistige Antizipation der Französischen Revolution darstellt, stammt der Satz, dass es dem Monarchen herzlich egal sein könne, ob er über Frauen oder Männer herrsche, „in einer Republik jedoch braucht man Männer“. Allein Männer sind – Rousseau zufolge – dazu fähig, den berühmten Contrat Social, Grundstück bürgerlicher Ideologie, einzugehen. Mitnichten hat die Philosophie der Aufklärung die Herrschaft des Mannes mit körperlicher Überlegenheit begründet, sondern aufgrund geistiger Eigenschaften, in einem Verhältnis von erster und zweiter Natur. Die Kritik hat deshalb, „weil sich alles geändert hat und doch nichts“, so Korecky, die Anfänge der bürgerlichen Gesellschaft zu betrachten und der Reproduktion des Geschlechterverhältnisses als einer Dialektik der Aufklärung gewahr zu werden – und auf diesem Wege die Gründe für den „Wiederholungszwang“ aufzuzeigen. BASTIAN BREDTMANN

■ Di, 8. 3., 19 Uhr, Centro Sociale, Sternstraße 3