„Das ist Steinzerfall“

BAUWERKE Ein Landeskonservator kennt viele Ärgernisse: Die A 281, die Bundesregierung, verzerrte Proportionen und „ortlose Architektur“. Jetzt zerbröselt auch noch sein eigener Amtssitz

■ ist seit zehn Jahren Landeskonservator.

Interview: HENNING BLEYL

Herr Skalecki, angeblich sind Erhaltungsmaßnahmen für das Rathaus durch den Fortfall eines Förderprogramms nicht mehr rechtzeitig zu finanzieren. Ist das bremische Weltkulturerbe gefährdet?

Georg Skalecki: Nein, das war eine glatte Fehlmeldung. Es lief lediglich ein befristetes Sonderprogramm des Bundesbauministeriums aus. Daraus bekam Bremen einmalig 600.000 Euro, mit denen wir beispielsweise die Überarbeitung der Vertäfelung in der oberen Rathaushalle finanziert haben. Das Gebäude ist in einem sehr guten Zustand.

Ihr eigener Amtssitz hingegen hat offenbar ein Problem. Warum ist er komplett eingerüstet?

Im Sockelbereich gibt es sehr große Schäden. Dort haben wir Steinzerfall, der unter anderem durch Streusalz verursacht ist. Die oberen Teile der Fassade, die vermutlich aus dem 15. Jahrhundert stammt, müssen wir ebenfalls dringend überarbeiten.

Was verlangt der Denkmalschutz im Inneren von Ihnen?

Im Kern handelt es sich bei der früheren Domkurie um ein karolingisches Gebäude, es ist also rund 1.200 Jahre alt. Auf Anraten eines Statikers haben wir die Aktenbestände und das 15.000 Abzüge umfassende analoge Fotoarchiv ins Erdgeschoss verlagert. Damit entlasten wir die vermutlich aus dem Mittelalter stammenden Deckenbalken.

Sie beklagen die Verdrängung historischer Bauten durch eine „ortlose Weltarchitektur“ und nannten als Beispiel für ein „Bauen ohne jeden räumlichen und regionalen Bezug“ das dreieckige Ungers-Gebäude an der Contrescarpe. Wieso soll eine Internationalisierung des Baustils Bremen schaden?

Ich habe nichts gegen moderne Bauten, aber deren Einpassung in ein historisch gewachsenes Umfeld stellt eine Gratwanderung dar. Bei dem direkt neben dem Rathaus geplanten Neubau der Landesbank sind wir auf einem guten Weg, anders ist das Ergebnis beispielsweise beim Weser-Tower. Bisher markierte St. Stephani den Abschluss der Altstadt. Jetzt verzerrt der Weser-Tower die Proportionen – ohne seinerseits wirklich ein besonderer architektonischer Gewinn zu sein.

Das Klingeln mit dem Stararchitekten Helmut Jahn geht sicher als verpasste Chance in die Bremer Baugeschichte ein. Aber auch andernorts war man zu zögerlich: Warum musste das Beluga-Gebäude in Backstein ausgeführt werden, statt wie vorgesehen mit einer schiffsähnlichen „Sichtrost“-Fassade?

Ich habe da nicht interveniert. Aber ich meine schon, dass man auf dem Teerhof, angesichts der gegenüberliegenden großen Altstadt-Silhouette, historische Rücksichten nehmen muss.

Wie steht es mit Rücksichten beim Ausbau der A 281? Für den „Monsterknoten“ müsste unter anderem der Plate’sche Jugendstil-Hof abgerissen werden.

Wir sind da in der Prüfung. Der Hof ist kein Hochkaräter, aber durchaus denkmalverdächtig. Ein Abriss wäre auch insofern ärgerlich, als das Gelände gar nicht für die Streckenführung der A  281 gebraucht wird, nur für die Einrichtung der Baustelle.

Bremens vielleicht wichtigstes Denkmal ist der Bunker „Valentin“. Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung?

Der Versuch des Bundes, sich als Besitzer des Bauwerks und Rechtsnachfolger des „Dritten Reichs“ aus der Verantwortung zu stehlen, war erkennbar. Aber eine Banalnutzung, etwa als Teppichlager, hätte sich mit diesem Ort in keiner Weise vereinbaren lassen. Als Gedenkstätte des NS-Größenwahns haben wir den Bunker mit einem Sondergutachten als Denkmal nationaler Bedeutung unter Schutz gestellt und ich bin sehr froh, dass er dieses Frühjahr für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Ein anderes aus der NS-Zeit stammendes Bremer Denkmal ist die Altmannshöhe. Was macht man mit so einem faschistoiden Erbe?

Nicht alles, was heroisch-streng wirkt, ist gleich faschistoid. Aber ähnlich wie beim Elefanten, dem früheren Kolonialdenkmal, könnte eine Umwidmung ein guter Weg sein.

„Die Umwidmung der Altmannshöhe könnte ein guter Weg sein“

Bislang wird das Kriegerdenkmal alle paar Jahre durch Farbbeutel „umgewidmet“.

Sinnvoller wäre beispielsweise eine Erläuterungstafel. So etwas würde ich unterstützen, auch bei der Mittelbeschaffung.

Bremens erster Landeskonservator, noch nebenamtlich, wurde 1933 ernannt. Ist die Erforschung der Denkmalpflege im nationalsozialistischen Bremen noch Desiderat oder bereits in Angriff genommen?

Das wäre vielleicht ein Thema, aber ich rechne nicht mit dramatischen Dingen. Die Focke-Direktoren, in Personalunion für Denkmäler zuständig, haben sich da mehr oder weniger gar nicht betätigt. Wir jedenfalls haben aus dieser Zeit kaum Akten – gegebenenfalls wären die Bestände im Focke-Museum aufzuarbeiten. Die praktische Denkmalpflege lag beim Bauamt, das dafür freilich nicht qualifiziert war. Im Grunde beginnt der fachlich fundierte Denkmalschutz in Bremen erst mit meinem unmittelbaren Vorgänger Hans-Christoph Hoffmann.

Im Juni müssen Sie die Jahrestagung der „Vereinigung der Landesdenkmalpfleger“ stemmen. Kann das ein so kleines Amt?

Wir müssen uns sehr strecken, aber das Programm steht: Es geht schwerpunktmäßig um Gartendenkmäler. Mit unserer dünnen Personaldecke ist das natürlich eine andere Herausforderung als etwa für die Niedersachsen, die auch nach den jüngsten Einsparungen noch über 100 Mitarbeiter haben. Vor diesem Hintergrund habe ich kürzlich die Wahl zum Vizevorsitzenden der Bundesvereinigung abgelehnt: Das wäre nicht mit den Aufgaben vor Ort zu vereinbaren.