Der Zufallsfang von Frankfurt

ATTENTAT Nur eine Ladehemmung verhinderte ein größeres Blutbad. Die Beamten fanden mehrere Schachteln mit Munition

November 2003: Anschläge auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Berlin und auf Düsseldorfer Lokale planten Mitglieder der islamistischen Al-Tauhid-Bewegung. Im November 2003 wurde der geständige Jordanier Shadi A. vom Düsseldorfer Oberlandesgericht zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.

3. Dezember 2004: Am Morgen nahm die Polizei während des Berlin-Besuchs des damaligen irakischen Ministerpräsidenten Ajad Alawi drei Iraker fest. Sie sollen einen Anschlag auf Alawi geplant haben. Die Anhänger der islamistischen Terrorgruppe Ansar al-Islam wurden vom Oberlandesgericht Stuttgart deshalb zu Haftstrafen zwischen siebeneinhalb und zehn Jahren verurteilt.

31. Juli 2006: Ein Bombenanschlag auf zwei Regionalzüge scheitert. Auf dem Kölner Hauptbahnhof hatten die zwei Täter in zwei Regionalzügen Kofferbomben deponiert. Die Sprengsätze detonierten nach Erkenntnissen der Ermittler nur wegen handwerklicher Fehler nicht. Youssef E. H. wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu lebenslanger Haft, Jihad H. in Beirut zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

September 2007: Sicherheitskräfte nehmen in einem Ferienhaus im sauerländischen Medebach die beiden zum Islam konvertierten Deutschen Fritz G. und Daniel S. sowie den türkischen Staatsbürger Adem Y. fest. Die Sauerland-Zelle hatte Sprengstoffanschläge insbesondere gegen US-amerikanische Einrichtungen in Deutschland geplant. Die Täter wurden im März 2010 zu Haftstrafen von bis zu zwölf Jahren verurteilt. (afp)

VON KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

„Das Café Rundblick hat geöffnet.“ Mit diesem Codewort für die höchste Alarmstufe, die am Mittwoch gegen 15.20 Uhr überall auf dem Flughafen Frankfurt zu hören war, wurden alle Sicherheitskräfte mobilisiert. Die Bundespolizei hatte da ihren Job schon erledigt und den Mörder von zwei US-Soldaten festgenommen – zwei weitere GIs wurden bei dem Attentat lebensgefährlich verletzt. Ein Zufallsfang. Denn der 21 Jahre alte, im Kosovo geborene und in Frankfurt aufgewachsene geständige Todesschütze Arid U. lief den Beamten im Terminal II des Airports nach der Tat und auf der Flucht noch mit der Pistole in der Hand direkt in die Arme.

Die kriminaltechnische Untersuchung der Waffe ergab dann, dass wohl nur eine Ladehemmung der Pistole Arid U. daran gehindert hatte, noch mehr Soldaten zu töten. Schließlich saßen in dem dunkelblauen Militärbus rund ein Dutzend US- und Nato-Soldaten, die eigentlich auf einer Airbase der Royal Air Force in Lakenheath in England stationiert sind. Von London aus waren sie nach Frankfurt geflogen.

Als der Attentäter ohne Vorwarnung das Feuer eröffnete, warteten sie im Bus vor dem Terminal am Rande der Zubringerstraße für ihren Weitertransport zur US-Base Ramstein in der Westpfalz. Dies ist ein Bereich, der für jeden Besucher des Flughafens frei zugänglich ist.

Der Fahrer wurde tödlich getroffen, zwei der Soldaten wurden schwer verletzt. Zudem erschoss Arid U. einen sich vor dem Bus aufhaltenden GI aus nächster Nähe.

Bei seiner Festnahme fanden die Beamten noch mehrere Schachteln mit Munition. Offenbar wollte der sich bei Facebook seinen „Freunden“ als Fan von Killerspielen offenbarende Frankfurter Gotteskrieger unter den US-Soldaten tatsächlich ein Blutbad anrichten.

Von Ramstein sollten die zum 48. Liberty Wing, einem Jagdgeschwader der United States Airforcees in Europe (USAFE) gehörenden Militärpolizisten zum Kriegseinsatz an die Front nach Afghanistan fliegen. Doch dann ereignete sich das Attentat, das „niemand hätte verhindern können“, so der „erschütterte und geschockte“ hessische Innenminister Boris Rhein (CDU). Der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hielt unterdessen eine erneute Erhöhung der bundesweiten Sicherheitsstufe nicht für notwendig.

„Unfassbar perfide“ nannte die Tat einer der Rettungssanitäter, die nur Minuten nach dem Attentat am Tatort waren. Die US-Amerikaner hatten zwar Waffen in ihrem Gepäck, diese waren aber nicht einsatzbereit. Die Sanitäter konnten bei zwei der Soldaten nur noch den Tod feststellen. Ihre durch Schüsse in den Kopf und in die Brust schwer verletzten Kameraden wurden umgehend zu Notoperationen in die nahe gelegene Frankfurter Universitätsklinik gebracht.

Am Tag nach dem Attentat patrouillieren wieder mehr Bundespolizisten als noch in den Tagen zuvor auf dem Airport. Mit umgehängten Maschinenpistolen über den kugelsicheren Westen – Terroralarmstufe Rot. Noch ist schließlich nicht abschließend geklärt, ob Arid U. tatsächlich nur ein Einzeltäter war, wie aus Polizeikreisen zu hören ist, oder ob der auf dem Flughafen in einem Postverteilzentrum arbeitende junge Mann in eine radikal-islamistische Terrorgruppe eingebunden war. Augen- und Ohrenzeugen jedenfalls berichteten der Polizei, dass Arid U. mit dem Ruf „Allahu akbar“ (Gott ist größer) auf den Lippen in den US-Militärbus eingedrungen sei.

Auch das FBI ist anwesend

Noch in der Nacht zum Donnerstag wurde Arid U. im Frankfurter Polizeipräsidium von Beamten des LKA Hessen verhört. Der Attentäter hat seine Tat nach Angaben des hessischen Innenministers gestanden. Es soll aber auch bestritten haben, einer terroristischen Vereinigung anzugehören. Auch FBI-Bundespolizisten aus den Vereinigten Staaten waren bei dieser Vernehmung anwesend. Man wolle „eng und vertraulich“ mit den Amerikanern zusammenarbeiten, sagte dazu ein Polizeisprecher auf Nachfrage. Tatsächlich hatten sowohl US-Präsident Barack Obama als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel noch am Mittwochabend von den Ermittlungsbehörden eine „rasche Aufklärung“ der ersten Tötungsdelikte mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund auf deutschem Boden verlangt.

Am Donnerstagmorgen zog die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich und betraute umgehend das Bundeskriminalamt und das Polizeipräsidium Frankfurt mit der weiteren Aufklärungsarbeit. Beamte durchsuchten die Wohnung des Todesschützen im Frankfurter Stadtteil Sossenheim. Der geständige Arid U., von dem im Internet Fotos kursieren, sollte noch am Donnerstag dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden. Weitere Details wollen die Ermittler Freitag früh präsentieren.