Dem Parlament mangelt’s an Bildung

REFORMDEBATTE Eine Stunde wird im Abgeordnetenhaus über Bildung gestritten. Die Debatte kommt mit einer neuen Zahl aus. Ansonsten wird wahlkämpfig gerempelt und gemotzt wie in keiner Hauptschule

CDU und FDP halten die rot-rote Bildungspolitik für katastrophal, die Koalition selbst findet sie beispielhaft – und die Grünen sagen abwägend: Die Reform an sich sei ja nicht schlecht. Aber die Umsetzung. Nichts Neues in Sachen Bildung also, trotz Aktueller Stunde zum Thema am Donnerstag im Abgeordnetenhaus – manch einer der wenigen Zuschauer mag sich gefragt haben, warum sie überhaupt nötig war.

Neu war allein eine Zahl, die Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) mitbrachte: 141.000. So viele Kitaplätze sind in Berlin genehmigt, 122.000 davon sind belegt. Der Debatte um fehlende Kitaplätze, derzeit aktuelles Thema im bildungspolitischen Streit der Parteien, konnte er damit nicht ganz den Wind aus den Segeln nehmen. Denn dass ErzieherInnen fehlen, um alle genehmigten Plätze auch nutzen zu können, streitet nicht einmal Zöllner ab. Nur findet der Senator im Gegensatz zu seinen politischen Gegnern, er habe mit Aufstockung der Ausbildungskapazitäten für ErzieherInnen, mit der Erleichterung des Seiteneinstiegs für Berufsfremde und der berufsbegleitenden Ausbildung „alles getan, was staatlicherseits möglich ist, dem etwas entgegenzusetzen“.

Doch irgendwie ging es in der Debatte ja auch gar nicht um Kitaplätze und sonst wie konkrete Zahlen. Sondern um alles: Keine Schule sei durch die Schulreform, keine Kita durch das Berliner Bildungsprogramm besser geworden, kritisierte der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Sascha Steuer. „Die ganze Republik“ schaue „mit Sorge auf die Bildungssituation in der Hauptstadt“. Eltern, die sich ihren Kindern gegenüber so verhielten, wie der Senat das den Berlinern Kindern gegenüber tue, hätte das Jugendamt längst das Sorgerecht entzogen, glaubt Steuer – und dass die Koalition dafür bei den bevorstehenden Wahlen einen „Denkzettel“ bekommen werde.

Wahlkampf also – der macht Debatten zwar aggressiver, aber nicht realitätsbezogener. Erhellend war die Politshow dennoch: Gut, dass keine Schulklassen da waren! Lehrer hätten sicher danach größte Probleme, Regeln wie Zuhören und Ausredenlassen, Rednern nicht den Rücken zuzuwenden oder sie durch freche Zwischenrufe stören, durchzusetzen: Abgeordnete machen genau das – aus denselben Gründen wie SchülerInnen: um dem, der da vorne quatscht, Desinteresse zu demonstrieren. AWI