„Wir brauchen Wachstum“

Bjarne Palstrøm vom Hauptverband der Dänischen Industrie im taz-Interview über Finanzierung und Bau einer Brücke über den Fehmarnbelt, wirtschaftlichen Aufschwung und neue Arbeitsplätze

„National, regional und auch lokal würde der Bau einer festen Querung über den Fehmarnbelt große Vorteile mit sich bringen“

INTERVIEWSVEN-MICHAEL VEIT

taz: Herr Palstrøm, warum setzen Sie sich so vehement für den Bau einer Brücke über den Fehmarnbelt ein?

Bjarne Palstrøm: Die feste Verbindung über den Fehmarnbelt würde die Entwicklung der europäischen Infrastruktur fördern. Eine Brücke würde einen effektiven Transportweg von Norden nach Süden schaffen, der verstärkt der Arbeitswelt zugute käme. Als europäische Region brauchen wir wirtschaftliches Wachstum und soziales Zusammenwachsen.

Sie nennen gern die Öresundbrücke zwischen Kopenhagen und Malmö als Vorbild …

Ja, denn wir haben in Dänemark und Schweden gute Erfahrungen damit gemacht. Die Brücke wurde vor knapp sieben Jahren eröffnet, heute fahren täglich 15.800 Fahrzeuge und jährlich mehr als 7,8 Millionen Zugpassagiere über die Brücke. Und das Wachstum ist erheblich. 2006 ist die Anzahl der Personen, die mit dem Zug reisten, im Vergleich zu 2005 um 17 Prozent gestiegen und der Autoverkehr um 16 Prozent. Angesichts der momentanen Entwicklung würde das für das Jahr 2020 einen täglichen Verkehr von 35.000 Fahrzeugen bedeuten.

Aber die Öresundbrücke ist eine Vorort-Verbindung zwischen zwei Metropolen. Eine Brücke zwischen Rapsfeldern auf den Inseln Lolland und Fehmarn können Sie damit nicht vergleichen, eher mit der Brücke über den Großen Belt.

Dieser direkte Vergleich ist nicht gegeben, da es sich bei der Großer-Belt-Brücke nicht um ein Projekt zwischen zwei Ländern oder europäischen Regionen handelt, sondern um eine interne dänische Verbindung. Dennoch ist die ländliche Umgebung beider Standorte vergleichbar.

Aber auf der Großer-Belt-Brücke ist der Verkehr zu über 90 Prozent innerdänisch – kaum zusätzliche Touristenströme und internationaler Wirtschaftsverkehr.

Berichte der dänischen Verkehrskommission zeigen, dass sich die Region um die Großer-Belt-Brücke zum attraktiven Industriegebiet mit wirtschaftlichem Wachstum entwickelt hat. Die Fehmarnbelt-Brücke könnte einen vergleichbaren Aufschwung in den ländlichen Regionen beider Länder bewirken.

Dem Finanzierungsmodell zufolge soll die EU 20 Prozent der Kosten übernehmen, den Rest decken Deutschland und Dänemark mit Staatsgarantien.

Bei der Öresundbrücke haben wir uns für ein Modell entschieden, bei dem sowohl der Staat als auch private Investoren zur Finanzierung beitragen. Dies bedeutet, dass wir als Gesamtgesellschaft die Mittel für den Ausbau der Infrastruktur aufbringen können, ohne den Wohlfahrtsstaat zu vernachlässigen. Wegen des wachsenden Verkehrs wird diese Brücke voraussichtlich nicht erst in 35, sondern schon in 33 Jahren abbezahlt sein.

Die privaten Investoren übernehmen dabei aber kein wirtschaftliches Risiko, sondern verdienen an den Einnahmen aus der Maut.

Auch im deutschen Koalitionsvertrag wurde beschlossen, das Fehmarnbelt-Projekt am besten als Public Private Partnership (PPP) durchzuführen. Erfahrungen und Analysen zeigen, dass es am effizientesten als PPP-Projekt mit Staatsgarantien realisiert werden kann. Der Vorteil liegt primär in der Entlastung angespannter öffentlicher Haushalte. Hinzu kommt die Zeitersparnis durch die Einbindung des betriebswirtschaftlichen Know-hows der privaten Investoren. Mit einem PPP-Finanzierungsmodell würde die Querung vermutlich innerhalb von 25 Jahren durch Mauteinnahmen abbezahlt sein – die kostengünstigste und zeitsparendste Lösung. Zudem steht das Fehmarnbelt-Projekt auf der Prioritätenliste der wichtigsten Infrastrukturprojekte Europas mit an oberster Stelle. Das heißt, man kann eine Unterstützung der EU von bis zu 20 Prozent erwarten.

Es gibt Befürchtungen, dass eine Brücke die Fährverbindung über den Fehmarnbelt und damit bis zu 1.000 Arbeitsplätze gefährden werde.

Diesen Konflikt sehen wir nicht. Die Öresundbrücke hat die alte Fährverbindung zwischen Kopenhagen und Malmö ersetzt, aber 35 Kilometer nördlich gibt es eine Fährverbindung zwischen Dänemark und Schweden, die stetiges Wachstum aufweist. National, regional und auch lokal würde der Bau einer festen Querung über den Fehmarnbelt große Vorteile mit sich bringen, da der Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen zwischen Skandinavien und Deutschland Wachstum und somit Arbeitsplätze mit sich bringen wird.

In Deutschland wird dieses Projekt sehr viel skeptischer betrachtet als in Dänemark. Glauben Sie wirklich daran, dass diese Brücke finanzierbar und politisch durchsetzbar ist?

Ja, denn alle Prognosen und Analysen zeigen klar das wirtschaftliche Potenzial. Die erarbeiteten Lösungsvorschläge für Bau und Finanzierung stellen die Weichen für ein Gelingen. Zudem zeigen die Erfahrungen mit der Öresundbrücke, dass einem positiven Beschluss für den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung nichts mehr im Wege stehen sollte.