Die Mutter

Die katholische Kirche sieht in Maria die neue Eva. Sie ist der Prototyp des erlösten Menschen, und deswegen ist sie für viele Gläubige Fürsprecherin im Himmel. Da der erste Mensch ein Mann gewesen sein soll, ist es eigentlich eine schöne Pointe, dass der erste neue Mensch eine Frau ist.

Maria wird in der katholischen Kirche verehrt. Ihr werden Wundertaten zugeschrieben, und sie erscheint den Gläubigen. Der katholischen Kirche ist Maria sogar zwei Dogmen wert: Das eine, Maria sei ohne Erbsünde empfangen, und das andere, sie sei leiblich in den Himmel aufgenommen worden. Die Frage ihrer immerwährenden Jungfräulichkeit hingegen ist kein Dogma. Allerdings gehen Katholiken und Orthodoxe davon aus, dass Maria eine reine Magd des Herrn bleibt, während die Protestanten glauben, dass sie diesen Status durch weitere Kinder mit Josef verspielt.

Die evangelische Kirche hingegen hat ein Darstellungsproblem mit der Gottesmutter. In den Gotteshäusern darf nur der Hausherr stehen, für eine weibliche Identifikationsfigur ist kein Platz. Die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken sieht im Frauenbild Luthers den Grundstein für die heutigen Probleme Deutscher mit der Mutterrolle. Die Frau war nicht mehr die „Braut Christi“, sondern hatte gefälligst die Kinder zu erziehen und Ehefrau des Mannes zu sein.

Doch auch die Katholiken sind bekanntermaßen nicht ganz flexibel, was Frauenbilder und den Wechsel von Geschlechterrollen angeht. Der eifrige Joachim Kardinal Meisner (dessen Namenspatron übrigens der Vater Marias ist), erklärte jüngst erst wieder, diesmal in der Kölnischen Rundschau: „Es gibt nicht ‚den‘ Menschen, es gibt ‚die‘ Menschen in zwei Grundausführungen: Mann und Frau.“ An dieser Dichotomie sei unbedingt festzuhalten. „Sie sind schon rein physiologisch aufeinander bezogen, sodass sie ein Fleisch werden und dass aus dieser Einheit eine Dreiheit, eine Vierheit wird. Homosexualität entspricht nicht dieser Ordnung der menschlichen Natur.“ JUL