Brückenbauerin hinter Gittern

Ein Familienbesuch hat sich für Haleh Esfandiari als böse Falle entpuppt. Seit fast fünf Monaten wird die US-Forscherin im Iran festgehalten, seit dem 8. Mai im Teheraner Evin-Gefängnis. Kurz vor Ablauf einer UN-Frist zum Stopp des Atomprogramms gab die iranische Justiz in dieser Woche bekannt, was sie der Direktorin des Nahost-Programms des Woodrow Wilson Centers (WWC) vorwirft: Die 67-Jährige soll angeblich auf einen Umsturz der Islamischen Republik hinarbeiten. Dies habe sie „indirekt“ zugegeben; sie „gestand“, dass ihr Projekt von der Stiftung des US-Bankiers George Soros finanziert werden.

Esfandiari reiste im Dezember in den Iran, um ihre 93-jährige Mutter zu besuchen. Am 30. Dezember wollte sie in die USA zurückfliegen. Auf dem Weg zum Flughafen wurde ihr Taxi überfallen und ihr Gepäck mitsamt Pässen geraubt. Als Esfandiari die Wiederbeschaffung der Dokumente beantragte, lud sie ein Geheimdienstmitarbeiter zum „Interview“. Dies war der Auftakt einer Serie von Verhören, die mit Esfandiaris Inhaftierung endeten. Seither durfte sie nur einige Male ihre Mutter anrufen. Ihrer Anwältin, der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, verweigern die Behörden den Zugang. Ein Brief von Esfandiaris Chef Lee Hamilton an Präsident Mahmud Ahmadinedschad blieb unbeantwortet. Einen Appell von US-Außenministerin Conoleezza Rice wies ihr Amtskollege Mottaki zurück. Iran erkennt Esfandiaris doppelte Staatsbürgerschaft nicht an.

Ihr Ehemann Shaul Bakash, Geschichtsprofessor an der George-Mason-Universität, wies alle Vorwürfe gegen seine Frau empört zurück. Er hoffe, dass Ahmadinedschad der zweifachen Großmutter das gleiche Mitleid entgegenbringe, das er zuletzt den britischen Marine-Soldaten gewährt habe.

Esfandiari wurde in eine schiitische Familie hineingeboren. Als junge Frau engagierte sie sich in der Frauenorganisation, die Ashraf Pahlevi, Zwillingsschwester des letzten Schah, gründete. In Wien machte sie ihren Doktor der Philosophie. Nach der islamischen Revolution wanderte sie 1980 in die USA aus. Dort lehrte sie bis 1994 in Princeton. Seit 1996 arbeitet Esfandiari für das WWC. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht die Rolle der Frau im Iran. 1997 erschien ihr Buch „Reconstructed Live: Women and Iran’s Islamic Revolution“.

Wenige andere haben sich so sehr für einen Dialog zwischen Iran und den USA eingesetzt, die seit fast drei Jahrzehnten über Kreuz sind. „Sie will Brücken bauen und keine Mauern“, sagt Hamilton über Esfandiari. Auch arabische Würdenträger setzen sich auf www.freehaleh.org bei Ahmadinedschad für Esie ein. CHRISTINE APEL