Frontfrau für Europa-Gewerkschaft

Wanja Lundby-Wedin, 54, kommt nicht zum Gärtnern. Die erste Frau an der Spitze von Schwedens Dachgewerkschaft wurde zur Chefin des Europa-Gewerkschaftsbunds gewählt FOTO: PICTURE ALLIANCE/DPA

Die Gewerkschaftsbewegung ist bislang zu sehr national organisiert. Dagegen will Wanja Lundby-Wedin, neugewählte Vorsitzende des Europäischen Gewerkschaftsbunds, etwas tun. „Wir müssen die europäische Gewerkschaftszusammenarbeit stärken“, beschreibt die neue Chefin von 60 Millionen AktivistInnen, die in 77 Gewerkschaften aus 35 Ländern organisiert sind, die wichtigste Aufgabe ihrer anstehenden vierjährigen Amtsperiode. Und weil es vermutlich auch an deren Ende noch nicht so etwas wie grenzüberschreitende Tarifverträge geben werde, müsse der erste Schritt eine verstärkte Kooperation auf Unternehmensniveau sein. Künftig sollen sich die Beschäftigten besser dagegen wehren können, wenn General Motors wieder mal die Arbeiter seiner verschiedenen europäischen Fabriken gegeneinander ausspielen will.

Die erste Frau an der Spitze der europäischen Gewerkschaftsbewegung war 2000 auch als erste Frau zur Vorsitzenden des mächtigen schwedischen Gewerkschaftsdachver-bands LO gewählt worden. Eine gelernte Krankenschwester und die Vertreterin der Angestellten im öffentlich Dienst in diesem Amt, das vorher meist die Bosse der Metall- und Industriegewerkschaften besetzten, war damals ein Novum. Mit der Popularität der neuen Führungsfrau erhoffte sich eine kriselnde LO neuen Schwung – und wurde nicht enttäuscht. Die seit ihrem 20. Lebensjahr in der Gewerkschaftsbewegung aktive Lundby-Wedin konnte ihre Position seither ausbauen: Ende 2006 war sie sogar als neue Parteichefin der Sozialdemokraten und Nachfolgerin Göran Perssons im Gespräch.

Auf diesen Posten verzichtete sie aber dankend. Sie wolle lieber Zeit für ihre Familie, Ehemann Lennart, zwei erwachsene Kinder und ein Enkelkind, haben. Und dazu, um im Garten ihres Wochenendhauses in den Stockholmer Schären Laub zu rechen und Unkraut zu jäten: „Ich liebe das einfache Leben, kochen, backen, einfach nur Wanja sein“, beschreibt sich die 54-Jährige. Aber natürlich hat sie auch eine Vision: Sie will für eine Gesellschaft kämpfen, in der alle ein „gutes Leben leben können“. In der nicht Klasse, Geschlecht oder ethnische Herkunft über die Lebensbedingungen bestimmen und jeder die Chance bekommt, für den eigenen Unterhalt zu sorgen.

Um sich diesem Ziel zu nähern, möchte sie im neuen Amt für das nordische Wohlfahrts- und Sozialmodell werben. „Strukturveränderungen sind auf längere Sicht positiv für Wachstum und Arbeitsplätze. Doch erfordern solche Zeiten großer Veränderungen ein Sicherheitsnetz.“ Statt Protektionismus wäre eine solche Strategie vielleicht etwas, „wonach man insgesamt in der EU streben sollte“. REINHARD WOLFF