berliner szenen In der Hasenheide

So sanft die Wurst

Die Sonne scheint und fast alle Plastiktische vor der Hasenschänke sind besetzt: vereinzelte Intellektuelle, die ihre Zeitung lesen, Familien mit Kindern und eine Gruppe Karten spielender Kroaten. Die Schlange vor dem Kioskfenster ist lang. Hier kann man Pflaumenkuchen kaufen und Wurst, Milchkaffee und Bier. Ich stelle mich an. Vor mir stehen eine Jungmutter mit Kinderwagen und ihre hochschwangere Freundin. In der dunkelsten Ecke des überdachten Vorplatzes der Hasenschänke haben sich fünf Männer mit ihren Bierflaschen versammelt.

Die zwei Damen, die im Kiosk arbeiten, machen ihre Sache gut und schnell. Die Hochschwangere vor mir bestellt schon einen Cappuccino, während die Jungmutter noch die Karte studiert. „Haben Se auch …“, setzt sie an und macht eine Handbewegung, die ich nicht deuten kann. „Haben Sie auch sanfte Würste?“ Die Frau im Kiosk blickt verwirrt. Die Jungmutter schaut Hilfe suchend zu ihrer schwangeren Freundin und macht wieder diese Handbewegung. Als ob sie jemanden streicheln würde. Die Freundin schaut betreten weg. „Sanfte Würste?“, sagt sie noch mal zaghaft und blickt hoffnungsvoll auf mich. Die fünf Männer in der Ecke prusten los. „Nicht gegrillte Würste“, sagt die Jungmutter da auf einmal, triumphierend. „Lange Wiener, Krautwurst, Bockwurst“, zählt die Dame im Kiosk sofort auf. „Bockwurst bitte“, sagt die Jungmutter.

Einer der Männer in der Ecke rülpst laut und nuschelt etwas von seiner sanften Wurst. Die Jungmutter wirft ihm einen verächtlichen Blick zu und bestellt sich ein Bier dazu. Als die beiden sich entfernen, überhöre ich, wie die Jungmutter ihre Freundin fragt, wer denn bei der Geburt das Babykabel durchschneiden wird. MAREIKE BARMEYER