Karlsruhe: Abhöraktion war unzulässig

Richter nennen Telefonüberwachung von Khaled El Masris Anwalt verfassungswidrig. Die Lauschaktion verletze die Berufsfreiheit. Anwalt bleibt misstrauisch. „Wenn die Staatsanwaltschaft abhört, was machen dann erst die Geheimdienste?“

AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH
AUS ULM RÜDIGER BÄSSLER

Die Abhöraktion gegen den Ulmer Anwalt Manfred Gnjidic war verfassungswidrig. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Die Telefonüberwachung des Anwalts habe dessen Berufsausübungsfreiheit und Fernmeldegeheimnis verletzt, so die Begründung der Verfassungsrichter. Gnjidic vertritt den Deutschlibanesen Khaled El Masri, der Ende 2003 aus bisher unbekannten Gründen für sechs Monate vom US-Geheimdienst CIA entführt worden war.

Vom 11. Januar bis 13. Juni 2006 hörten und lasen Ermittler mit, wenn Gnjidic oder seine Ehefrau telefonierten oder das Fax benutzten. Die Maßnahme war auf Antrag der Münchner Staatsanwaltschaft vom dortigen Amtsgericht angeordnet worden. Gnjidic wurde erst im Juni 2006 nachträglich über die Abhöraktion informiert. Als Begründung gab die Staatsanwaltschaft an, man habe auf eine Kontaktaufnahme der Entführer El Masris spekuliert. Bei der Lauschaktion wurden aber vor allem Telefongespräche, die der Anwalt mit Journalisten führte, zu den Akten genommen. Die Sicherheitsbehörden wollten wohl den Stand der journalistischen Recherchen beobachten, um vor einer Veröffentlichung reagieren zu können. Die Verfassungsrichter erklärten nun die Abhöraktion für unzulässig, der Eingriff in das Fernmeldegeheimnis sei unverhältnismäßig gewesen.

„Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer von den Entführern kontaktiert werden würde, war von vornherein so gering, dass die Erfolgsaussichten der Maßnahme außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs standen“, so die Richter. Immerhin lag die Entführung zu diesem Zeitpunkt schon rund eineinhalb Jahre zurück, und eine – von Anwalt Gnjidic angeregte – erste Abhöraktion bei El Masris Privatanschluss hatte nach dessen Rückkehr keinerlei Kontaktaufnahme der CIA ergeben. Erschwerend kam für die Richter noch hinzu, dass auch die Berufsfreiheit von Anwalt Gnjidic beeinträchtigt war. Da die Berufsausübung von Anwälten grundsätzlich unkontrolliert bleiben müsse, hätten die bayerischen Gerichte die Abhöraktion nicht genehmigen dürfen. Das Vertrauensverhältnis zwischen einem Anwalt und seinen Mandanten erfordere eine besonders strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Polizeimaßnahmen, urteilten die Richter.

Gnjidic zeigte sich nach der Urteilsverkündung erleichtert. „Für den Anwaltsstand ist das ein extrem wichtiges Urteil“, sagte er. Sein Vertrauen in die deutsche Justiz sei aber nur teilweise wiederhergestellt. „Wenn schon die Staatsanwaltschaft abhört, möchte ich nicht wissen, was die Geheimdienste machen“, so Gnjidic. Denn diese informierten die Betroffenen nicht, so dass weder Rechtsmittel eingelegt noch etwas gegen das Speichern der Erkenntnisse unternommen werden könne. Das Bundesverfassungsgericht hat den Fall ans Münchner Landgericht zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.