Das Leben ist eine Lounge

Nirgends werden, überall sein: „Full House“ im Haus am Waldsee feiert den Schein des Designs

„Designmai“: Das internationale Designfestival findet dieses Jahr nicht an zentralem Ort statt – aus 100 ausgewählten Projekten sollen sich die Besucher ihren Rundgang durch die „Kreativmetropole Berlin“ selbst zusammenstellen; die Ausstellung zum Themenschwerpunkt „Digitalability“, die Diskussionen sowie das Symposium finden im Festival-Forum statt, Spandauer Straße 2; bis 20. 5., tägl. 10–20 Uhr; mehr Infos unter: www.designmai.de „Designmai Youngsters“ (Arbeiten von über 100 jungen Nachwuchsdesignern); bis 20. 5., Kunstfabrik am Flutgraben, Do. bis Sa. 12–23 Uhr, So. 12–20 Uhr „Full House – Designer in Berlin richten das Haus am Waldsee ein“; bis 31. 5., Argentinische Allee 30, tägl. 10–20 Uhr „Snapshot UdK 07“ (Designstudierende untersuchen, wie „die Dinge unsere Interaktionen beeinflussen“ und haben zum Beispiel Teller aus Esspapier entworfen), bis 31. 5., Designtransfer, Einsteinufer 43–53, tägl. 10–18 Uhr „Berlindesign“ (Präsentation von 50 Berliner Labels aus den Bereichen Mode, Möbel, Schmuck, Licht und Accessoires), 12./13. 5., Café Moskau, jeweils 12–20 Uhr

VON CLEMENS NIEDENTHAL

Am Ende strahlen die Dinge im Haus am Waldsee: mal in erhabenem Glanz, mal in funkelnder Extase. Andere Exponate warten darauf, erst entdeckt zu werden im überbordenden Angebot der Formen und Farben, Zeichen und Zitate. Gleich zu Beginn des Rundgangs etwa die glitzernde Lounge aus kleinen Bisazza-Mosaiksteinchen – eine „bourgeoise, fast dekadente Interpretation zeitgenössischen Wohnens“.

So sagt das Katja Blomberg, künstlerische Leiterin des Hauses am Waldsee, und führt als Hausherrin durch eine Berliner Designlandschaft. Vorbei an der eindrücklichen Formsprache eines Werner Aisslinger: Sein Bücherregal „books“ besteht tatsächlich aus nichts weiter als Büchern und versteckten Metallscharnieren. Hin zu der aus Einrichtungsmagazinen bekannte „Softwall“ von Carsten Gerhards und Andreas Glücker – einer Art Wandkissen als Setzkastenprinzip, mit Stauraum für Accessoires. Gleich daneben haben die beiden Designer einen transparenten, tausend Meter langen Wasserschlauch zu einer Duschkabine geformt. Das sieht ein wenig aus wie ein überdimensionaler Bienenkorb. Ein schönes Bild, sind doch Bienen fleißige Einrichter und Hausbauer.

„Full House – Designer in Berlin richten das Haus am Waldsee ein“ nennt sich die Ausstellung, Teil des Berliner Designmais. Im Haus am Waldsee geht es auch darum, das Haus als Ort eines internationalen Lebensgefühls zu etablieren. Deswegen heißt es Designer in Berlin, nicht Designer aus Berlin.

Wie geht doch das gern kolportierte Klischee: In Berlin werden in umgenutzten Fabriketagen ausgefallene Ideen in Einrichtungsgegenständen materialisiert, die sich dann ausgefallene Menschen in ihre umgenutzten Fabriketagen stellen. Zum Glück dürften die siebzehn an der Schau beteiligten Formgeber diesen Satz kaum unterschreiben. Auch wenn das Haus am Wannsee mit ihnen die vier L inszeniert: Lounge und Loft, Logo und Lifestyle. „Die Freundin duscht, und Sie selbst sitzen gleich daneben auf dem Sofa und arbeiten mit Ihrem Laptop“, hat sich Katja Blomberg eine kleine Szene rund um die gerade erwähnte Wasserschlauchnasszelle ausgedacht. Eine schöne neue Welt, in der das ewige Mantra der Spätmoderne von den Zehlendorfer Villenwänden hallt: „Wohnen und Arbeiten finden längst in denselben Orten statt.“

Seltsam lebensfern wirken aber gerade jene Ausstellungsstücke, die vorgeben, genau mit diesen gesellschaftlichen Transformationsprozessen zu korrespondieren. So haben die Entwerfer und Entwickler aus dem Büro e27 auf einer leuchtend orangenen Wand den Tagesablauf schwer beschäftigter junger Eltern mit jeweiliger Zeitangabe notiert. Will man, so die Frage, Tag für Tag lesen, dass die Tochter um 17.30 Uhr aus der Kita abgeholt werden will? Oder feiert man so schlicht das eigene Beschäftigtsein? Immerhin versöhnen die Designer mit einem korbgeflochtenen Schaukelstuhl und einer korbgeflochtenen Schaukelliege – für das synchrone Wippen von Kind und Eltern.

So viel Entspanntheit hat es bis in die Sammlung des New Yorker MoMA gebracht. Deutsches und mithin Berliner Design ist einmal mehr zu einem Label geworden. Am eindrücklichsten findet die Ausstellung zur ihrer Sprache, wenn man sich ganz und gar auf die Dinge einlässt. Wenn man sie bewegt und benutzt, sich draufsetzt und reinlegt, sich verwundern, irritieren und überraschen lässt.

„Full House – Designer in Berlin richten das Haus am Waldsee ein“ ist das diametrale Gegenteil einer klassischen Designausstellung. Nirgends Entwurfskizzen oder Prototypen. Kein Wort zu Fragestellungen und Findungsprozessen. Nirgends werden, überall sein. Ein wenig zu spitzfindig betrachtet, geht es der Schau nicht einmal um Design, sondern um designte Objekte. So wie eine Kunstausstellung eben Malerei präsentiert und nicht das Malen selbst. Aber das ist ja ohnehin der Iconic Turn mindestens eines deutschen Designbegriffs: Die öffentliche Wahrnehmung feiert nicht mehr die Ingenieurstugenden eines Dieter Rams oder den fast kalvinistischen Purismus eines Max Bill. Design soll durchaus unverblümt schimmern und scheinen. Keine Ausgabe etwa des Kunstmarktmagazins Monopol, in der nicht eine neuer, alter Designer zur Geldanlage erklärt wird.

Aber vielleicht ist das ja ein Missverständnis, mit dem die zeitgenössische Formgebung ganz gut leben kann. Schließlich und vor allem zeichnet auch das die Ausstellung „Full House“ aus: tolle Dinge von Substanz, System und manchmal sublimer Ironie. Entwürfe, denen man durchaus zutrauen darf, für sich allein zu sprechen.