Der schamlose Präsident

Nicolas Sarkozy feiert seinen Wahlsieg auf einer Luxusjacht, fliegt im Privatjet und diniert mit Schlagergrößen. Geschmacklose Arroganz? Beleidigung der Wähler? Ihn kümmert es nicht

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Im Land der Philosophen verstecken wohlhabende Bourgeois ihren Reichtum hinter ostentativer Bescheidenheit. Geld gilt als unschicklich. Auch für Spitzenpolitiker.

Seit Nicolas Sarkozy am Sonntag mit 53 Prozent zum neuen Präsidenten der Republik gewählt wurde, ist auch dieses Tabu gebrochen. Der 53-Jährige hat seinen Wahlsieg so verschwenderisch gefeiert, wie es vor ihm kein anderer Republikaner getan hat: Er speiste mit Schlagerstars – darunter der steuerflüchtige Spitzenverdiener Johnny Halliday – in einem Luxusrestaurant auf den Champs-Élysée. Er verbrachte seine erste präsidentiale Nacht in einem Pariser Fünf-Sterne-Hotel. Er machte einen Familienausflug mit einem Falcon-900 Privatjet nach Malta. Und er schipperte zweieinhalb Tagen durchs Mittelmeer. Auf einer 90 Meter langen Luxusjacht, die je nach Saison zwischen 173.000 und 193.000 Euro die Woche kostet. Seit der Schließung der Wahlurnen verfolgen politische Journalisten ihn dabei auf Schritt und Tritt. Wie Paparazzi. Mit ihren Berichten und Bildern haben sie die Hauptnachrichtensendungen des französischen Fernsehens in eine „Star Academy“ verwandelt.

Ganz wie Silvio Berlusconi

In Paris hat sich ein Sturm der Entrüstung erhoben. Nicht nur bei der oppositionellen sozialistischen Partei. Deren Chef François Hollande spricht von „geschmackloser Arroganz“ und „Beleidigung der Wähler“. Auch Denker wie der Philosoph Alain Finkielkraut, der im Wahlkampf auf Distanz zu der Linken gegangen war, hat die ostentative Prasserei kritisiert. „Wir haben uns geschämt“, schrieb Finkielkraut in der Zeitung Le Monde. Und: „Man kann nicht das Erbe de Gaulles für sich in Anspruch nehmen, und sich wie Silvio Berlusconi benehmen.“

Doch der gewählte Präsident sieht kein Problem. Im Wahlkampf hatte er das „Schmarotzertum“ von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger kritisiert. Vielfach von „Leistung“, „Werten“ und „Moral“ gesprochen. Auf Malta zeigt er sich gegenüber Journalisten verständnislos für die Aufregung. Er hält eine Eloge auf die französischen Rüstungs- und Medienindustriellen, die ihn unterstützen. Nennt seine Freunde Martin Bouygues, Vincent Bolloré und Arnaud Lagardère, von denen er mit einigen als Taufpate und Trauzeuge verbunden ist, „Vorbilder“ für Frankreich. Und erklärt, dass sein Freund Vincent Bolloré, dem Privatjet und Luxusjacht gehören, ihn seit 20 Jahren eingeladen habe, und er diese Einladung eben jetzt annehme. Dann fügt der gewählte Präsident hinzu: „Diese Reise kostet die Republik keine einzige Centime.“

Das ist in Paris umstritten. Denn Bolloré stellt nicht nur die Zigarettenpapierchen her, mit denen seit Generationen Joints gebaut werden, er ist auch ein großer Medienmacher. Schon während der ersten Stunden, in denen der gewählte Präsident auf seiner Jacht über das Mittelmeer schippert, steigen Bollorés Aktien um zwei Prozent. Der Unternehmen hat unter anderem – „zu einem Fünfzehntel des Marktpreises“, wie die Gewerkschaft CGT anmerkt – auch die TV-Produktionsfirma gekauft, der das Studio gehört, in dem Sarkozy in der vergangenen Woche das TV-Duell mit seiner sozialdemokratischen Gegenkandidatin Ségolène Royal geführt hat.

Die Mär vom Eheglück

Am Donnerstag fliegt Sarkozy live während der Hauptnachrichtensendung in Bollorés Privatjet zurück nach Paris. Während seiner Ausflugs nach Malta sind nicht nur Bilder von ihm und dem Mittelmeer, sondern vor allem auch von seinem Familienglück mit Gattin und Sohn über die Fernsehbildschirme geflimmert. Die einst viel fotografierte Gattin, die zusammen mit dem gewählten Präsidenten zahlreiche Homestorys aus ihrem glücklichen Eheleben organisiert und in jedem seiner früheren Ministerien ein eigenes Büro hatte, war in den vergangenen Monaten fast völlig aus dem öffentlichem Leben verschwunden. Zu sehen war sie nur beim Parteitag der UMP am 14. Januar. Und bei der Stimmabgabe im ersten Wahldurchgang. In Paris kochten die Gerüchte über neue Eheprobleme des Präsidentschaftskandidaten hoch. Es hieß, es habe Streit gegeben. Madame habe sich getrennt. Habe einen neuen Liebhaber in New York. Und habe einen Vertrag unterschrieben, der sie gegen eine höhere Dollarsumme zu Stillschweigen verpflichtete.

Die französischen Journalisten behielten diese Gerüchte fast ausnahmslos für sich. Allein Le Monde meldete einmal kurz ihre Existenz. Und der Medienkritiker Daniel Schneidermann merkte in Libération an, dass es ein Fehler wäre, die Geheimnistuerei wie einst um Mitterrands Tochter zu wiederholen.

Am Abend des Wahlsonntags tauchte Cécilia Sarkozy wieder auf. Der Kuss für ihren Gatten ist diese Woche Titelseite der Illustrierten Paris Match. Das Blatt gehört Arnaud Lagardère, einem weiteren Freund des gewählten Präsidenten. Es bringt im Blattinneren 50 Fotoseiten über Sarkozy. Der Chefredakteur, der das hätte verhindern können, ist längst gegangen worden. Er wurde geschasst, nachdem sein Blatt vor eineinhalb Jahren auf dem Titel ein Foto von Madame Sarkozy mit ihrem damaligen Liebhaber brachte.