Dialoge für den inneren Frieden

Der Verein südost Europa Kultur arbeitet seit Jahren mit traumatisierten Kriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Jetzt hat er eine Stiftung gegründet – für Kriegsopfer aus der ganzen Welt

VON IZTOK ŠORI

Giora Feidman ist ein Jude, der sich in Deutschland zu Hause fühlt. Sonny Thet ist ein Kambodschaner, dessen ganze Familie von den Rothen Khmer umgebracht wurde, während er in Deutschland studierte. Beide, der Jude und der Kambodschaner, sind Musiker und gehören zu den Unterstützern der Stiftung „Überbrücken“, die der Berliner Verein südost Europa Kultur ins Leben gerufen hat. Bis jetzt hat sich der Verein vor allem mit der Verarbeitung der Kriegstraumata von Flüchtlingen aus Exjugoslawien befasst. Nun wird die Zielgruppe erweitert – worauf schon die Schicksale beider Künstler hindeuten.

Bei der Gründungsveranstaltung, die am vergangenen Dienstag in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche stattfand, sagte Kuratoriumsmitglied Joachim Henkel, die Stiftung wolle sich „Individuen jeglicher Herkunft mit Kriegstraumata widmen und ihnen helfen, wieder in die Gesellschaft zurückzukehren“. Dabei wolle man nicht nur mit den Opfern sprechen, sondern auch die Täter zum Sprechen bewegen.

Täter-Opfer-Dialog

Gerade ein solcher Dialog zwischen Opfern und Tätern, davon ist Henkel überzeugt, könne dabei helfen, das schwere Erbe früherer Kriege abzubauen, und dadurch einen Beitrag leisten, den Kindern heute und nachfolgenden Generationen ein ähnliches Schicksal zu ersparen. „Schließlich können unverarbeitete Konflikte jederzeit aufs Neue ausbrechen, so wie wir das auch in Jugoslawien erlebt haben“, meint die Gründerin von südost Europa Kultur, Bosiljka Schedlich (siehe Interview).

Für unverarbeitete und latent schlummernde Konflikte hat die neue Stiftung auch einen Begriff gefunden: „außen Frieden, innen Krieg“. Was damit gemeint ist, sollen vor allem Zeitzeugen vermitteln. Bei den künftigen Veranstaltungen werden sich Deutsche, Exjugoslawen und Menschen aus verschiedenen Ländern gemeinsam über den Krieg und seine Ursprünge sowie ihre persönlichen Erfahrungen austauschen. Auch ein Jugendtheater mit Flüchtlingen soll bald die Kulturszene der Stadt bereichern.

Unterstützung erhält die neue Stiftung von der Politik. Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) zitiert auf der Gründungsveranstaltung eine Frage, die viele immer wieder stellen: Warum sollten die Flüchtlinge nicht in ihr Heimatland zurückkehren, wenn dort wieder Frieden herrscht? Ihre Gegenfrage: „Soll man dorthin gehen, wo man gedemütigt wurde und brutaler Gewalt ausgesetzt war?“ Ihrer Meinung nach sollten dies ausschließlich jene tun, „die dieses Trauma schon verarbeitet haben“. Ein Beweis dafür, dass sie es ernst meint, seien die Aufenthaltsgenehmigungen für Flüchtlinge aus dem Kosovo, die der Senat im Jahr 2005 erteilt hat.

Mit Flüchtlingen aus Exjugoslawien arbeitet der Verein südost Europa Kultur schon seit 15 Jahren. In den Räumen des Kulturzentrums an der Kreuzberger Großbeerenstraße finden Begegnungen, Therapien, Beratungen, Lehrangebote und Kreativwerkstätten statt. All das soll nun auch die Stiftung Überbrücken fördern – für Kriegstraumatisierte aus aller Welt. Die Nachfrage ist – leider – groß. „Derzeit werden 28 Kriege auf der Erde geführt“, sagt Giora Feidmann.

Vergeben, nicht vergelten

Die deutsche Hauptstadt, wo die Nachwirkungen des Krieges noch immer sichtbar sind, sei eine gute Wahl für den Sitz der neuen Stiftung, sagte Landesbischof Wolfgang Huber. „Vergebung statt Vergeltung! Wir Deutschen wissen, was das heißt, da uns auch eine zweite Chance gegeben wurde, einen Platz in Europa zu haben.“ Im Verein südost Europa Kultur begleitet Huber die Flüchtlingsarbeit seit Jahren.

Doch der Balkan ist nicht nur ein Ort der Konflikte, sondern auch – wie Deutschland, Israel oder Kambodscha – des Friedens. Giora Feidmann, der Klarinettist, fragte sich jedenfalls, wann er auch zu seinen palästinensischen Nachbarn ein solches Verhältnis aufbauen könne wie zu den Deutschen. Fragte es und spielte sogleich ein Lied, zusammengesetzt aus der deutschen, israelischen und palästinensischen Hymne.