herr tietz macht einen weiten einwurf
: Passivrauchende Aktive

FRITZ TIETZ klopft sich ein Rettchen aus der Schachtel und macht sich Gedanken über den Nichtraucherschutz im Sport

Gestern kurz ins Café, die Sportseiten auswerten. Ich könnte auch durchblättern sagen. Doch eine konzentrierte Recherche ist nicht möglich. Ein Herr am Nebentisch parliert lauthals mit der Bedienung, einem jungen Mädchen, das währenddessen am Buffet den von mir georderten Kaffee zapft. Diese verdammte Raucherei, höre ich den Gast stöhnen. Dieser Gestank immer von der vielen Quarzerei. Da könne er lüften, wie er wolle. Und jetzt im Winter ginge nicht mal das, weil, wenn die Fenster ständig auf Kipp stehen, man doch schnell zu frieren begänne. Stoßlüftung, wirft das Mädchen ein, er solle es doch mal mit regelmäßiger Stoßlüftung versuchen, sagt sie. Der Mann darauf, verächtlich: Ach was, Stoßlüftung. Das nütze doch auch nichts. Der kalte Dunst vor allem am Morgen. Der sei am schlimmsten. Und wenn dann noch der Aschenbecher geleert zu werden vergessen wurde. Ekelhaft. Alles habe er schon versucht. Duftkerzen. Ventilatoren. Feuchte Tücher. Wirklich alles, wiederholt er, um dann – wie ich allerdings sehr erstaunt registriere – ein Rettchen sich in den Mund zu stecken und dieses zu entzünden. Tief ein zieht er den ersten Lungenzug. Schwer ausatmend bläst er den Rauch in den Gastraum. Das Mädchen bringt den Kaffee.

Und ich hatte schon ernsthaft erwogen, auf die Zigarette, die ich mir hier genehmigen wollte, zu verzichten. Aus Rücksicht auf den vermeintlichen Nichtraucher am Nebentisch. Aber wenn der jetzt selber … „Verzeihung, hätten Sie was dagegen, wenn ich rauche“, frage ich, betont rhetorisch, zu ihm rüber, während ich mir zugleich eine aus der Schachtel klopfe. Der Mann begreift die Scheinheiligkeit meiner Frage sofort. Auch das Mädchen versteht. Sie lacht – und steckt sich ebenfalls eine an. Nein, nein, ruft mir der Mann zu. Ich möge bitte keine falschen Schlüsse ziehen aus seiner zuvor geführten Klage. Es sei vor allem sein eigener Rauch, an dem er sich so störe. Zu Hause, wo er als Kettenraucher, der er nun mal sei, das Rauchen nicht lassen könne. Drei solcher Big Boxes – er zeigt mir seine aktuelle 24er – haue er am Tag weg, und er habe auch nicht mehr vor, das zu ändern. Allein der daraus resultierende Raumgestank nerve ihn nach wie vor. Obwohl das eigentlich ein sehr guter Grund wäre, das Rauchen dranzugeben, sage ich, während auch ich jetzt endlich Glut an meine Zigarette lege. Der Mann winkt müde. Alles schon versucht, sagt er. Hypnose, Yoga, Psychotherapie, Nikotinpflaster. Keine Chance.

Keine Ahnung übrigens, was ich mit dieser kleinen Raucherepisode eigentlich sagen will. Sie fiel mir nur gerade ein, als ich über die sich hierzulande immer verschärfter anbahnenden Nichtraucherschutzmaßnahmen nachdachte und mich fragte, welche Auswirkungen daraus wohl für den deutschen Sport erwachsen könnten. Mit dem Ergebnis: keine sehr gravierenden. In den allenthalben kursierenden Eckpunktekatalogen zum Nichtraucherschutz konnte ich bislang jedenfalls keinen Hinweis entdecken, wonach jenes allseits geforderte generelle Rauchverbot auch den Sport tangieren könnte. Und warum auch? Mir zumindest fällt auf Anhieb keine Sportart ein, in der überhaupt, geschweige denn so exzessiv geraucht wird, dass sich passivrauchende Aktive davon belästigt fühlen könnten. Nicht mal mehr das allgemeine Stadionrauchverbot, während der Fußball-WM noch stark im Gespräch, fand ich in einer der aktuellen Agendas erwähnt. Oder sagt man Agenden?

Zurück ins Café, wo mein Tischnachbar immer noch über seine Rauchallergie lamentiert. Sie fliegen zum Mond, sagt er. Aber ein probates Mittel erfinden, um Rauchern ein erträgliches Raumklima zu verschaffen, das können sie nicht. Was soll ich dazu sagen? Vielleicht das hier: Was nützt einem das beste Raumklima, wenn die Alte bescheuert ist. Ein Satz, den ich irgendwann mal aufschnappte und der mir seitdem immer zuverlässig in den Sinn schießt, wenn ich jemand Raumklima sagen höre. Ich verzichte jetzt aber drauf, ihn auszusprechen. Weiß ja nicht, ob mein Tischnachbar eine Alte hat. Außerdem muss ich los. Kolumne schreiben.