Israel debattiert über Angriff auf Iran

Vor dem Hintergrund des Atomstreits mit Teheran wird auch in Jerusalem laut über eine Militäroperation nachgedacht. Während Premier Olmert noch auf Verhandlungen hofft, setzen andere auf baldige Luftangriffe gegen die Atomanlagen

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Je deutlicher es wird, dass die internationalen Sanktionen das iranische Atomprogramm nicht aufhalten, desto lauter schlagen die USA und Israel die Kriegstrommeln. „Kann das (Atom-) Projekt durch einen Militärschlag gestoppt werden?“, fragt Juval Steinitz (Likud), Vorsitzender des parlamentarischen Sicherheitsausschusses in Jerusalem, und antwortet selbst: „Ja“.

Premierminister Ehud Olmert drängt auf eine Intensivierung der diplomatischen Anstrengungen. „Wir suchen nicht den Krieg“, sagte Olmert in einem Interview mit einem amerikanischen Fernsehsender vor wenigen Wochen, betonte jedoch gleichzeitig, dass sich Israel „alle Optionen“ offenhält, sollten die Sanktionen ergebnislos bleiben. US-Vizepräsident Dick Cheney äußerte sich diese Woche mit gleichem Wortlaut.

Auch in Israel gibt es die Meinung, dass die iranische Bedrohung nicht akut und Verhandlungsraum auch dann noch gegeben sei, wenn der Iran bereits zur Atommacht geworden ist. Im Gegensatz dazu hält Efraim Kam, Direktor des „Instituts für Nationale Sicherheitsstudien“ in Tel Aviv, eine Militäroperation für notwendig, noch bevor der Iran im Besitz der ersten Atombombe ist – besser noch, „bevor der Iran ausreichend spaltbares Material produziert, um eine Bombe herzustellen“. Die Annahme ist, dass Teheran, sollte die Urananreicherung ungehindert fortgesetzt werden, bis spätestens zum Ende des Jahrzehnts so weit ist.

Obschon Exstabschef Mosche Jaalon Anfang vergangenen Jahres von „zusätzlichen Möglichkeiten“ zu einem Angriff aus der Luft sprach, wird in der israelischen Öffentlichkeit vorläufig einzig ein Luftangriff diskutiert. 1981 bombardierten israelische Piloten den irakischen Atomreaktor in Osirak. Nach Ansicht des Abgeordneten Steinitz könnte der Iran „mit einigen Veränderungen des alten Plans angegriffen werden“.

Problematisch bei einer Attacke auf Atomanlagen im Iran ist, dass sie von Israel weiter entfernt liegen als Osirak. Dies würde die Kampfflieger zu einem Zwischenstopp zwingen, um ihre Maschinen aufzutanken, wenn Umwege nötig sind. Sollte die Operation ohne vorherige Absprache mit den USA vorgenommen werden, was unwahrscheinlich ist, aber nicht ausgeschlossen wird, wäre der Flug über Irak versperrt. Aktuellen Berichten der kuwaitischen Zeitung al-Siyasa zufolge hegen Oman, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate keine Einwände gegen die Nutzung ihres Luftraums durch israelische Flieger.

Hinzu kommt, dass die iranischen Atomanlagen zum Teil tief unter dem Erdboden liegen. Israel ist allerdings seit Sommer vergangenen Jahres im Besitz von bunkerbrechenden Bomben, die angeblich bis zu 40 Meter tief in den Boden eindringen und bis zu sieben Meter dicke Betondecken knacken können. Die USA lieferten 100 der sogenannten Bunkerbrecher, um – wie israelische Journalisten damals vermuteten – einen Angriff auf das Versteck des libanesischen Hisbollahchefs Hassan Nasrallah zu ermöglichen. Die israelisch-amerikanische Einigung über die Bombenlieferung war allerdings schon gut ein Jahr vor dem Libanonfeldzug im vergangenen Sommer getroffen worden.

Im Gegensatz zu dem Angriff auf Osirak kommt im Iran hinzu, dass es viele Forschungsanlagen gibt, die noch dazu geografisch weit auseinander liegen. Damit ist ihre vollständige Zerstörung praktisch ausgeschlossen. Ziel kann vorerst nur sein, die Entwicklung zurückzuwerfen. Dazu reicht nach Ansicht des Sicherheitsexperten Kam „der Angriff auf drei bis vier Anlagen“, in denen Uran angereichert wird, aus. Um den Iran langfristig von der Atomforschung abzubringen, würden hingegen „Jahre der wiederholten Angriffe auf iranische Atomanlagen“ nötig sein.

Auch wenn Kam einen israelischen Alleingang nicht ausschließt, so ist wahrscheinlich, dass sich die Regierung in Jerusalem um internationale Rückendeckung bemüht und sei es nur in Form eines stillen Einverständnisses. Eine offene Kooperation würde nicht zuletzt die im Irak stationierten amerikanischen Truppen der Gefahr iranischer Vergeltungsschläge aussetzen. Die Schlagkraft iranischer Raketenangriffe auf Israel hält Kam für begrenzt.