Kampf der Ideologien
: KOMMENTAR VON DIRK KNIPPHALS

Wenn in unserer Gesellschaft über Kinder gesprochen wird, dann wird es schnell ideologisch. Der Augsburger Bischof Mixa hat das noch einmal eindrücklich vorgeführt, als er davon sprach, von der Leyens familienpolitische Vorschläge würden die Frau „zur Gebärmaschine“ degradieren. Versachlichung kann da helfen. Aber allein mit ihr kommt man auch nicht weiter.

Kinder- und Familienfragen sind zentral mit dem gesellschaftlichen Selbstverständnis verbunden. Tritt man von den unmittelbaren politischen Auseinandersetzungen zurück, kann man feststellen, dass in unserer Gesellschaft derzeit zwei große Lebensexperimente nebeneinander bestehen. Schade nur, dass die jeweiligen Gruppen – wie man im Alltag häufig feststellen kann – sich in ihrem jeweiligen Selbstverständnis voneinander so stark bedroht fühlen.

Das eine Experiment besteht darin, ein Leben ohne Kinder zu führen. Was oft als Problem gesehen wird – für die Rente oder die demografische Entwicklung –, ist in Wahrheit ein Zivilisationsfortschritt. Wo einst unreflektierter Naturzusammenhang herrschte – „Kinder kriegen die Leute sowieso“, so Adenauer –, gibt es heute Entscheidungsfreiheit. Wie es in einer modernen Gesellschaft sein soll! Dadurch ergeben sich aber neue Probleme – und sie sind für die konkrete Lebensgestaltung mindestens so wichtig wie neue Rentenformeln. Kinderlose müssen gegen traditionelle Rollenbilder ankämpfen und neue Ressourcen an Lebenssinn erschließen. Das aber ist doch auch für moderne Eltern interessant!

Das zweite große Lebensexperiment besteht darin, in genau so einer Situation dennoch Kinder zu bekommen. Auch das ist, wenigstens in diesem Ausmaß, eine welthistorisch neue Situation. Ein Wunschkind zu bekommen und zu erziehen ist etwas ganz anderes, als sich qua Kinderkriegen in einen Konsens einzufügen. Das bekommen übrigens schnell auch die Kinder zu spüren. Insofern ist es, anderslautenden Gerüchten zum Trotz, gerade auch Teil einer kinderfreundlichen Gesellschaft, sich gegen Kinder entscheiden zu können. Sowohl Eltern als auch Kinderlose sollten das Thema so unideologisch wie möglich angehen. Klingt leicht, ist schwer. Aber dringend nötig.